Kommentar Musterfeststellungsklage: Mehr als eine Lex VW

Der VW-Fall zeigt, dass Feststellungsklagen sinnvoll sind. Jetzt muss sich in der Praxis zeigen, was funktioniert und was nicht.

Kühlergrill eines VW

Der VW-Konflikt war die Nagelprobe. Feststellungsklagen werden aber auch in vielen anderen Fällen Anwendung finden Foto: Val/Vesa / Unsplash

In den USA haben die Käufer von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen mehr als 7 Milliarden Dollar Entschädigung erhalten, in Deutschland nur eine kostenlose Nachrüstung. Das hat jedem die schwache Stellung der Verbraucher in Deutschland vor Augen geführt. Nur deshalb konnte die SPD ihr Projekt der „Musterfeststellungsklage“ in der Koalition gegen den anfänglichen Widerstand der CDU/CSU durchsetzen. Insofern handelt es sich klar um eine Lex VW.

Auch das gehetzte parlamentarische Verfahren – schon drei Tage nach der Sachverständigenanhörung wurde jetzt das Gesetz beschlossen – hängt mit dem Dieselskandal zusammen. So soll für viele VW-Käufer noch die Verjährung am Jahresende unterbrochen werden.

Und drittens zeigt gerade der VW-Fall, dass die Konstruktion einer bloßen „Feststellungsklage“ sinnvoll ist: dass also die klagenden Verbände nur die zentralen Tatsachen und Rechtsfragen klären lassen und die betroffenen Verbraucher anschließend noch selbst gegen VW (oder das Autohaus) klagen müssen. Die VW-Fälle haben zwar viele Gemeinsamkeiten, sind im Detail dann aber doch zu unterschiedlich, um alle Prozesse in einem Musterfahren zu entscheiden.

Doch bei aller Bedeutung des VW-Konflikts darf nicht vergessen werden, dass es auch viele andere mögliche Anwendungsfälle gibt: Klagen gegen Banken und Bausparkassen, gegen windige Onlinehändler und gegen Wohnungsgesellschaften. Aber es wird weniger Fälle geben als lange gedacht. Denn die klagebefugten Verbände müssen die neue Aufgabe nebenbei schultern. Sie können damit kein Geld verdienen – und tragen gleichzeitig das Kosten­risiko bei einer Niederlage.

Trotz vieler Detailkritik ist es gut, dass das Gesetz jetzt beschlossen wurde. Statt weiter zu theoretisieren, was noch zu verbessern ist, kann sich jetzt in der Praxis zeigen, was funktio­niert und was nicht. Man sollte den Start des Gesetzes einfach als Experimentierphase sehen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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