Kommentar NSA-Spionage in Frankreich: Das Ende der Naivität

Mit der Schadenfreude gegenüber der deutschen Regierung ist es vorbei. Frankreich lernt nun damit umzugehen, kein Sonderfall zu sein.

Hollande und Obama im Gespräch

„Sie brauchen sich gar nicht so weit vorlehnen, ich weiß schon was Sie sagen wollen.“ Foto: reuters

Ein gewisses Misstrauen gegenüber den USA herrschte in Frankreich schon immer. Jetzt weiß man dank Wikileaks, dass dieses Misstrauen berechtigt und im Übrigen gegenseitig war: Die „Freunde“ in Paris wurden (und werden?) auf höchster Stelle belauscht, bis in geheimste Sphären abgehört und überwacht.

In Paris bemüht man sich, der Öffentlichkeit ein Minimum an Überraschung über das gravierende Ausmaß der Enthüllungen vorzuspielen. Längst glaubte niemand mehr im Elysée-Palast, dass der Präsident und seine Berater vor der peinlichen Neugier der NSA sicher sind. Die Zeit der Naivität, in der man geglaubt hatte, Frankreich sei in der Welt der gegenseitigen Bespitzelung ein Sonderfall, ist definitiv vorbei.

Vorbei ist auch die Schadenfreude über Angela Merkel, deren Telefonnummer ebenfalls auf der Liste der NSA stand, trotz „No Spy“-Versprechen und der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste.

Politik und Karriere, Konfliktbewältigung, Business und Kriegsführung finden in einem Glashaus statt, in dem die staatliche Geheimhaltung nur gegenüber den eigenen Bürgern funktioniert, nicht aber gegenüber den Spionagediensten der anderen, selbst der miteinander verbündeten Staaten.

Darum ist auch der Zeitpunkt der Wikileaks-Enthüllung gut gewählt und wohl auch kein Zufall: Just heute stimmen die Abgeordneten über eine „Antiterrorgesetzgebung“ ab, die den französischen Diensten massive Überwachungsmittel gewährt. Dass dabei die demokratische Kontrolle funktioniert, glauben nur noch diejenigen, die auch bisher meinten, das Telefon des französischer Präsidenten würde doch nie und nimmer von Washington belauscht.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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