Kommentar NSA-Überwachung: Unter Generalverdacht

Wer auf Anonymität im Netz setzt, ist der NSA offensichtlich verdächtig. Betroffen ist deshalb nicht nur ein Student, sondern alle sind es.

Je mehr Verschlüsselungsprogramme genutzt werden, desto weniger fällt der einzelne Benutzer auf Bild: Christoph Thorman / photocase.de

Welche Ehre für Sebastian Hahn. Der Erlanger Student ist nach Angela Merkel die zweite namentlich bekannte Person, der ins Visier des US-Geheimdienstes NSA geriet.

Sebastian Hahn würde auf die Ehre wohl gerne verzichten. Journalisten freuen sich dagegen umso mehr. Können sie nun doch endlich die NSA-Überwachung visualisieren – mit einem gutwilligen Studenten, der nur helfen wollte, die Privatsphäre zu schützen.

Tatsächlich geht es dem US-Geheimdienst NSA aber weniger um Sebastian Hahn, der einen Server des Anonymisierungsnetzwerks „The Onion Router“ (Tor) betrieb, als um die Masse der Tor-NutzerInnen. Wer auf Anonymität im Internet Wert legt, ist offensichtlich verdächtig. Betroffen sind damit letztlich also alle, die versuchen, ihre Privatsphäre zu schützen.

Für Fatalismus ist es aber zu früh. Nun auf Verschlüsselung zu verzichten, weil man sich nicht exponieren will oder weil die NSA vielleicht schon die Verschlüsselung geknackt hat – das wäre die falsche Schlussfolgerung aus dem Skandal. Laut Chaos Computer Club sind gute Verschlüsselungsprogramme wie PGP aber nach wie vor sicher. Und je mehr sie genutzt werden, desto weniger fällt der einzelne Benutzer auf. Für Tor gilt das auch.

Peinlich ist der Vorgang aber für die Bundesregierung. Weil sich die USA weigern, ein No-Spy-Abkommen mit Deutschland abzuschließen, empfiehlt sie, Mails zu verschlüsseln. Und nun wird bekannt, dass die NSA tendenziell alle, die ihre Privatsphäre schützen wollen, als potenziell Verdächtige markiert. Mal sehen, wie die düpierte Regierung in Berlin nun reagiert.

Auch Generalbundesanwalt Harald Range sollte sich mit Sebastian Hahn und seinem Server beschäftigen. Denn dieser steht im mittelfränkischen Erlangen, also auf deutschem Boden. Noch ist unbekannt, wie und wo die NSA die Daten der NutzerInnen abfängt, doch es ist wahrscheinlich, dass dies in Deutschland erfolgt. Dies wäre dann aber wohl ein eindeutiger Fall von geheimdienstlicher Agententätigkeit. Range müsste also ein zweites Ermittlungsverfahren gegen unbekannte NSA-Verantwortliche einleiten.

Und was ist mit dem BND? Hilft er der NSA beim Ausspähen des Tor-Servers? Späht er selbst in anderen Ländern Anonymisierungsdienste aus? Wir sollten nicht immer nur auf die NSA schauen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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