Kommentar Obama und die Banken: Obamas Flucht nach vorn

Indem Obama den Risikogeschäften und der gefährlichen Größe der Banken den Kampf ansagt, tritt er die Flucht nach vorn an. Und begibt sich auf politisch sichereres Terrain.

Die große Stärke von Barack Obama ist seine Fähigkeit, die Schwächen der US-Gesellschaft zu benennen und ihrer Sehnsucht nach Reformen eine Stimme zu geben. Drei solche Versprechen standen im Vordergrund, als er ins Weiße Haus einzog: die Gesundheitsreform, die Schließung des Gefangenenlagers von Guantánamo binnen eines Jahres und die Bekämpfung der Bankenkrise.

Ein Jahr danach ist offensichtlich, dass die Gesundheitsreform geplatzt ist. Den letzten Ausschlag dafür hat in dieser Woche die Nachwahl in dem Bundesstaat Massachusetts gegeben. In der traditionell demokratischen Hochburg hat ein republikanischer Outsider, der mit der expliziten Absicht angetreten war, die Gesundheitsreform zu kippen, einen Wahlsieg errungen und damit die stabile qualifizierte Mehrheit des US-Präsidenten im Senat zu Fall gebracht. Und ein Jahr nach Obamas Versprechen vom 20. Januar 2008, Guantánamo zu schließen, sind immer noch mehr als 200 Menschen in dem Lager eingeschlossen.

Bleiben die Banken. Nachdem sie ein 700 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket aus dem Staatshaushalt eingesteckt haben, spekulieren sie ebenso fidel wie riskant weiter und genieren sich nicht, exorbitante Boni an ihre SpitzenmanagerInnen zu zahlen. Das steht in einem geradezu obszönen Kontrast zu der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit und der Obdachlosigkeit vieler Menschen in den USA.

Indem Obama den Risikogeschäften und der gefährlichen Größe der Banken den Kampf ansagt, tritt er die Flucht nach vorn an. Er wendet sich einem neuen Reformthema zu - und begibt sich diesmal auf politisch sichereres Terrain. Denn er weiß sich in Übereinstimmung mit seinen WählerInnen wie mit Teilen der Opposition. Auch ein gewisser John McCain, seines Zeichens republikanischer Kandidat im letzten Präsidentschaftswahlkampf, hat im vergangenen Jahr die klare Trennung von traditionellem Bankbusiness und Kapitalmarktgeschäften verlangt.

Doch Obamas Vorhaben ist mehr als ein politisches Manöver. Es ist eine moralische Verpflichtung. Wer verhindern will, dass die SteuerzahlerInnen erneut für spekulative Zusammenbrüche von Banken aufkommen, muss Regeln setzen. Zugleich schickt sich der Präsident an, die Politik zweier demokratischer Amtsvorgänger aufzunehmen beziehungsweise zu korrigieren: Obamas bislang noch nicht en detail definierter Vorschlag erinnert an das zweite Glass-Steagall-Gesetz - 1933 von Roosevelt erlassen -, das Clinton dann im Jahr 1999 auf dem Höhepunkt des Liberalisierungsrausches abschaffte.

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