Kommentar Occupy-Bewegung: Zeit zur Spaltung

99 Prozent ist eine Zahl, auf die sich sonst nur Diktatoren berufen. Zu einer gesunden Mehrheit reichen 51. Ohne Neonazis, Populisten und Verschwörer.

Die Spaltungsgeschichte der Linken ist sicher kein Ruhmesblatt. Oft und gern stellten dogmatische Besserwisser Differenzen in den Bewegungen vor Verbindendes. Doch am Beispiel der Occupy-Bewegung zeigt sich in diesen Tagen: Von den oft beschimpften Spaltern lässt sich auch etwas lernen.

Am Wochenende wurde deutlich, was auf die vordemokratische Parole folgte, "99 Prozent" der Menschen repräsentieren zu wollen: In Frankfurt mobilisierten auch Rechtspopulisten zum Protest, Mitglieder einer sektenähnlichen Organisation versuchten, die Deutungshoheit über die Bewegung zu gewinnen - und im Internet wirbt die rechtsextreme NPD mit der Parole "Okkupiert Occupy!".

Keine Frage: Das sind Minderheiten, nicht der Kern des Protests. Doch die programmatische Beliebigkeit von Occupy sorgt dafür, dass sich viele Globalisierungskritiker den Protesten nicht anschließen. Sie fühlen: Wer zu allen Seiten offen ist, kann irgendwo nicht ganz dicht sein.

Noch heute erinnert sich das historische Gedächtnis der deutschen Linken an den Berliner Straßenbahner-Streik von 1932, bei dem KPD und NSDAP Seit an Seit marschierten. In der Bundesrepublik ist vielen Alt-68ern zu spät aufgefallen, dass die sexuelle Revolution für einige nur ein Vorhängeschild für Pädophilie war. Es ist wichtig, schon am Beginn eines Weges zu schauen, wer sich unter der eigenen Fahne tummelt.

Beruhigend ist: Am Samstag legten sich Globalisierungskritiker mit rechtspopulistischen Demonstranten an, die den Protest instrumentalisieren wollten. Und das Netzwerk Attac hat erkannt, dass es der Bewegung mit sinnvollen Forderungen und organisatorischer Kompetenz weiterhelfen kann. Vor allem aber ist eine Illusion schnellstens zu beerdigen: 99 Prozent ist eine Zahl, auf die sich sonst nur Diktatoren berufen. Zu einer gesunden Mehrheit reichen 51. Ohne Neonazis, Populisten und Verschwörer. Deshalb gilt: Spaltet Occupy jetzt!

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