Kommentar Parteitag in China: Partei des Durchwurstelns

Flugerbot für Brieftauben und Modellflugzeuge: Ein Parteitag mit solch absurden Vorschriften zeugt von der Nervosität des autoritären Regimes.

Soziale Unruhen, sinkendes Wirtschaftswachstum, große Unterschiede zwischen Arm und Reich, Umweltzerstörung, grassierende Korruption, drohende Überalterung und ausbleibende wirtschaftliche und politische Reformen sind der Hintergrund dieses KP-Parteitags. Wie Chinas künftige Partei- und Staatsführung diese Probleme lösen will, bleibt zu dessen Beginn ebenso nebulös wie die Position der einzelnen Politbürokandidaten.

Offiziell geht es um die Neubestimmung einer kollektiven Führung, die für Harmonie und Kontinuität stehen soll. Eine öffentliche Debatte zwischen den verschiedenen Fraktionen ist aber nicht vorgesehen. Stattdessen wird hinter einer Mauer der Intransparenz um die Macht gekungelt, bis der Bevölkerung Personen präsentiert werden, die sie zu akzeptieren hat.

Ein Parteitag mit Flugverboten für Brieftauben und Modellflugzeuge und anderen absurden Verboten zeugt von der Nervosität des autoritären Regimes, die Festnahmen und Verbannungen von Kritikern von seiner hässlichen Realität. Angesichts von Chinas stark gewachsenem Bildungsniveau, den Wohlstandsgewinnen wie der mittlerweile großen medialen Vernetzung wirkt die jetzige Inszenierung der KP-Macht zunehmend anachronistisch.

Aber Vorsicht vor Überheblichkeit und Wunschdenken. Sahen nicht schon 1989, nach der Besetzung des Tiananmen-Platzes durch Studenten, die meisten hiesigen Beobachter die KP am Ende? Stattdessen hat China die liberale Theorie, dass mit Einführung des Kapitalismus auch die Einführung der Demokratie unvermeidlich ist, bisher leider widerlegt.

Das muss nicht so bleiben. Aber selbst unter einem so blassen Langweiler wie dem jetzt abtretenden KP-Chef Hu Jintao hat sich Chinas Wirtschaftsleistung in der letzten Dekade immerhin vervierfacht, während die USA die Finanzkrise und Europa das Euro-Debakel erlebten. Grundlegende demokratische Reformen sind in China in nächster Zeit unwahrscheinlich, es sei denn, die KP ist mit einer schweren nationalen Krise konfrontiert, in der solche Änderungen einen Ausweg bieten könnten.

Momentan scheint nicht einmal Chinas Mittelschicht eine andere, sondern allenfalls eine bessere Regierung zu wollen. Eine, die sich stärker um Gesundheits- und Umweltfragen, Bildung und Rechtsstaatlichkeit kümmert. Daher dürften die neuen KP-Führer mit kleinen Reformen versuchen, sich durch die Problemberge durchzuwursteln. Das Entstehen einer mächtigen Opposition werden sie wohl weiter autoritär verhindern.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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