Kommentar Patriots in der Türkei: Tödliches Vertrauen

Die Bundesregierung hofft, dass ihre Patriot-Raketenwerfer nicht genutzt werden. Spitzt sich die Lage aber zu, wird Deutschland mit ihnen in den nächsten Krieg eintreten.

Macht bislang keine gute Figur im Syrien-Konflikt: Tayyip Erdogan. Bild: dapd

Es klingt vertraut: 1. Bundesregierung plant irgendetwas mit Bundeswehr im Ausland. 2. Opposition verlangt Debatte und Bundestagsmandat. 3. Bundesregierung stellt Parlamentsbefassung in Aussicht. Doch ist selten anschaulicher gewesen als aktuell am Beispiel „Patriot-Raketen für die Türkei“, dass mit der Debatte über die Notwendigkeit einer Debatte bereits Zustimmung eingekauft werden soll – für einen Einsatz, der einerseits zunächst überschaubar wirkt, andererseits doch echte Besorgnis auslöst.

Zwei Patriot-Batterien sind zwar teures und dem Vernehmen nach recht effektives Gerät, um Raketen oder Flugzeuge durch Raketen abzuschießen. Woher aber nimmt die Bundesregierung den Glauben, damit Syriens Präsidenten Baschar al-Assad beeindrucken zu können? Vom türkischen Regierungschef Tayyip Erdogan, der doch bislang auch keine besonders überzeugende Figur in der Auseinandersetzung mit Assad macht?

Legitim ist zunächst das Verlangen des Nato-Partners Türkei, dass ihm das Militärbündnis in einem zunehmend schwierig werdenden Konflikt mit Syrien beispringe. Dazu wurde die Nato gegründet. Doch wird innerhalb der Nato stets nur um solche Unterstützung gebeten, die vorher vertraulich in Aussicht gestellt wurde.

Das Angebot von zwei Patriot-Batterien scheint aus Sicht der Bundesregierung (und der taufrisch gewählten niederländischen Regierung, die vermutlich gerade noch ihre Schreibtische sortiert) einen Mittelweg zwischen „sieht gefährlich aus“ und „wird doch hoffentlich nicht ernsthaft genutzt“ darzustellen.

Sollte sich die Lage an der türkisch-syrischen Grenze jedoch weiter zuspitzen, werden genau diese beiden Batterien den Eintritt Deutschlands in den nächsten Krieg markieren. Es wird dann wieder zu spät sein. Ja, das habe man doch nicht absehen können, wird es heißen, und: Die Amerikaner tun doch das Allermeiste und wir nur ein ganz klein bisschen, und so weiter.

Dieses Szenario aber will hierzulande und vor allem im Bundestag kaum jemand erleben. Daher kann man nur hoffen, dass die Bundesregierung die Patriots zum Anlass nimmt, alles dafür zu tun, den syrischen Konflikt zu entschärfen.

Ein Anfang wäre die umfangreiche Hilfe für syrische Flüchtlinge und die Staaten, die sie aufnehmen – also auch die Türkei. Dazu eine ernstgemeinte EU-Kontrolle aller Waffentransporte im Mittelmeer. Nicht zuletzt aber auch eine offene Auseinandersetzung über die verzweifelt verzwickte Geopolitik im Nahen Osten von Gaza bis Iran, und welche Rollen USA und Russland dabei spielen.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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