Kommentar Pflegeversicherung: Pflege darf nicht privat werden

Der Inhalt der "Pflegereform" ist dürftig. Ein Grundproblem bleibt: In der Pflege herrscht permanenter Notstand. Sie ist nicht ausreichend finanziert.

Minister können regieren, ohne zu regieren. Der Trick: Man verabschiedet ein Gesetz, das fast folgenlos ist – nennt es aber großartig „Reform“. So ist es auch bei der „Pflegereform“, die am Mittwoch durchs Kabinett ging. Der Inhalt ist dürftig. Die Pflegesätze werden ein bisschen steigen, damit die Demenzkranken wenigstens ein bisschen versorgt werden. Das war’s im Kern.

Es hätte allerdings noch schlimmer kommen können. Manchmal ist eine Nullreform besser als eine falsche Reform. Und gerade die FDP steuerte mal wieder in eine Sackgasse, die „private Vorsorge“ heißt. Die Liberalen wollten ursprünglich durchsetzen, dass jedes Mitglied der gesetzlichen Pflegeversicherung eine private Zusatzversicherung abschließen muss.

Doch dieser abstruse Plan ist zum Glück an der Union gescheitert. Denn wohin „Kapitaldeckung“ führt, lässt sich bei der Riester-Rente sehen: Die Sparer können froh sein, wenn sie am Ende den nominalen Betrag ihrer Einzahlungen wieder herausbekommen. Noch nicht einmal ein Inflationsausgleich ist gesichert. Dieser Unsinn bei der Rente wird nicht dadurch sinnvoller, dass man ihn auch noch bei der Pflege praktizieren will.

Doch erfreulicherweise konnte die FDP nicht „liefern“, obwohl die verpflichtende Pflegezusatzversicherung sogar im Koalitionsvertrag steht. Jetzt ist nur noch der vage Plan übrig, dass eine freiwillige Pflegezusatzversicherung begrenzt steuerlich absetzbar ist. Etwa 100 Millionen Euro wird dies wohl kosten. Das ist zwar immer noch Geldverschwendung, aber wenigstens erhalten Banken und Versicherungen nicht Milliardengeschenke wie bei der Riester-Rente.

Bleibt nur noch ein einziges Grundproblem bei dieser Nichtreform vom Mittwoch: In der Pflege herrscht permanenter Notstand. Sie ist nicht ausreichend finanziert, die Demenzkranken sind unterversorgt. Aber darum wird sich wohl künftig eine Regierung kümmern müssen, in der die FDP nicht mehr vertreten ist.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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