Kommentar Pogrome in Neapel: Wenn auch die Linke rassistisch ist

Fremdenfeindliche Politiker kommen in der italienischen Öffentlichkeit derzeit gut an. Auch die linken Parteien haben zu der Pogrom-Stimmung beigetragen.

In Neapel brennen Roma-Barackenlager - und außer der radikal linken Zeitung Il Manifesto mag kein Blatt, mag kein einziger TV-Sender das Wort Pogrom in den Mund nehmen. Nein, eher schon wird uns von braven Bürgern berichtet, die es einfach nicht mehr aushalten mit dem Gesocks.

Wundern mag man sich kaum noch darüber. Italiens Rechte hat schon im Wahlkampf die öffentliche Sicherheit zum "Notstandsfall Nummer eins" erklärt, und sie hat gleich hinzugefügt, was sie damit meint. Nämlich nicht die Cosa Nostra, die Camorra und die Ndrangheta, die ganz Süditalien im Würgegriff haben. Ihrer Ansicht nach ist die Sicherheit bedroht durch Roma und Rumänen. Unerträglich sei es für italienische Bürger, auch nur deren Präsenz weiter zu ertragen. Die offen fremdenfeindliche Lega Nord konnte auf diesem Ticket ihre Stimmenzahl auf über acht Prozent verdoppeln; jetzt stellt sie den Innenminister in der neuen Berlusconi-Regierung.

Italiens Rechte stellt seit wenigen Wochen auch Roms Bürgermeister; der Postfaschist Gianni Alemanno gewann die Wahl nicht zuletzt mit dem Versprechen, unter anderem 20.000 Rumänen auszuweisen. Am liebsten würde die Berlusconi-Koalition gleich das Schengen-Abkommen aussetzen. Das geht zwar nicht - aber alles, was an nationalen Abschreckungsinstrumenten zur Verfügung steht, wird bald zum Einsatz kommen.

Für die Abschreckung machen sich dann auch ein paar Pogrome ganz gut. Kein rechter Politiker jedenfalls ging auf Distanz zum Mob. Warum auch? Die ohnehin schon siegreiche Rechte ist ja keineswegs allein. Auch die Linke trug und trägt zur Schaffung dieses Klimas bei. Es war Walter Veltroni, der im letzten November nach einem Mord in Rom den "Rumänen-Notstand" ausrief und öffentlichkeitswirksam Barackenlager der Roma räumen ließ. Auch die seriösen Medien des Landes, darunter La Republica, verbreiten ganz selbstverständlich die Mär von den "Zigeunern, die Kinder stehlen". Harten Widerstand gegen Berlusconis "Sicherheits"-Maßnahmen, radikale Distanzierung vom aufgehetzten Mob - das können wir in den nächsten Monaten weder von der Linksopposition noch von den Medien erwarten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.