Kommentar Polizei am 1. Mai: Gepfefferter Schönheitsfehler

Bei allem Lob für den Polizeieinsatz am 1. Mai in Berlin. Die heftige Pfeffersprayeinsatz am Kottbusser Tor kann nur als Provokation verstanden werden.

Unbenommen, dieser 1. Mai war ein Erfolg. Es gab wenig Sachschaden, Verletzte und Festnahmen. Von stundenlangen Straßenschlachten keine Spur. Das ist auch ein Verdienst der Polizei. Ihre Strategie der weitestmöglichen Deeskalation hat sie selbst nach heftigen Scharmützeln während der 18-Uhr-Demo nicht aufgegeben. Davor kann man nur den Hut ziehen.

Wer nun aber eine Jubelarie auf die Polizei einstimmt, hat entweder nicht genau hingeschaut - oder den Ort des Geschehens vor 22 Uhr verlassen.

Ab dann verfolgte die Polizei eine Strategie, die nur als pure Provokation verstanden werden konnte. Zwanzigertrupps zogen stundenlang wie Pac-Man-Figuren im Zickzack durch die anfangs ruhige Menge am Kottbusser Tor, wahllos mit Fäusten nach allen Seiten austeilend. So entstand die Unruhe, die die Polizei zum Anlass für zahlreiche Festnahmen und heftigen Pfeffersprayeinsatz nahm.

Gegen Mitternacht wurden gar Sanitäter, die sich vor Ort um teils unter Schock stehende Verletzte kümmerten, von den Beamten bedrängt. Wenn am Ende eines angeblich friedlichen Abends 150 durch Polizeispray Verletzte stehen, kann die Gesamtstrategie kein Erfolg gewesen sein.

Wie sich eine aufgewühlte Menge beruhigen lässt, hatte in der Walpurgisnacht eine zufällig vorbeikommende Bläsercombo gezeigt: mit Musik. Bevor die Polizeiführung noch mal ihre Spraytrupps auf die Menschen loslässt, sollte sie lieber über den Wiederaufbau des Polizeiorchesters nachdenken. Das könnte tatsächlich eine Jubelarie spielen - sogar am 1. Mai.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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