Kommentar Polizeigewalt Hongkong: Von wegen „Asia's finest“

Hongkongs Polizei hat voll draufgehalten. Trotz der Suspendierung von Polizisten ist nun klar: Sie steht als Herrschaftsinstrument Pekings bereit.

Wenig gentlemanlike: Polizei mit Pfefferspray in Hongkong am Morgen des 16.Oktober. Bild: Reuters

Geht es mit Hongkong abwärts? Viele in der südchinesischen Sonderverwaltungsregion haben derzeit diesen Eindruck – mit zwei entgegengesetzten Perspektiven. Die eine macht die Proteste der Demokratieaktivisten dafür verantwortlich, dass die Wirtschaft und der Ruf der Finanzmetropole leiden, weil seit fast drei Wochen zum Teil chaotische Zustände herrschen.

Die andere sieht das Übel in Chinas autoritärer Regierung und ihren Hongkonger Handlangern. Diese schränkten die Autonomie der Stadt ein, weichten ihre hohen Standards auf und blockierten ihre demokratische Entwicklung.

Die erste Gruppe möchte, dass Hongkongs Polizei die Blockaden der Aktivisten rasch beendet; die Demokratieaktivisten hingegen, dass sich die Polizei neutral verhält, die Demonstranten mit Respekt behandelt und vor gewaltsamen Angriffen mutmaßlicher Triaden und anderer Gegner schützt.

Doch inzwischen ist es schon zweimal zu massiver Polizeigewalt gegen Demonstranten gekommen. Zuletzt wurden Beamte dabei gefilmt, wie sie einen gefesselten wehrlosen Demonstranten und Mitglied einer prodemokratischen Partei zu Boden stießen und minutenlang auf ihn eintraten.

Solche Polizeigewalt gibt es wohl leider überall, doch in Hongkong passt sie nicht ins Bild, das die Polizei dort bisher genoss. Sie hatte bisher einen exzellenten Ruf und sich selbst als „Asia's finest“ bezeichnet.

In der Endphase der britischen Kolonialzeit hatte sie sich von einem kolonialen Machtinstrument zu einer Serviceeinrichtung gewandelt. Nur selten griff sie bei Demonstrationen überhaupt ein. Die sind in Hongkong so alltäglich wie friedlich, weshalb Hongkongs Polizei auch heute noch so gut wie nie Kampfmontur trägt. Demonstranten wissen, dass sie mit Gewalt nur die Bevölkerung gegen sich aufbringen. Die Gewalt geht deshalb auch meist eher von Peking-nahen Kräften als von der Demokratiebewegung aus.

Südkoreanische Sitten

.Ein abschreckendes Beispiel gab es 2005 beim Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO). Da brachten südkoreanische Globalisierungsgegner ihre aus der Heimat bekannte Militanz nach Hongkong. Diese gewalttätige Protestkultur war ein Schock, den die Polizei nur mit Gegengewalt zu handhaben wusste.

In diesem Sommer hatte sich die Polizei wochenlang auf die angekündigten friedlichen Blockaden von „Occupy Central with love and peace“ vorbereitet. Doch dann trieb sie gleich zu Beginn durch einen völlig überzogenen Einsatz von Pfefferspray und Tränengas die Menschen erst recht auf die Straße. Professionell war das sicher nicht.

Für Demokratieaktivisten ist das ein klares Indiz dafür, dass Hongkongs Polizei unter Chinas Oberhoheit wieder zunehmend zum Herrschaftsinstrument verkommt - zumal sich Hongkongs Regierungschef unfähig zur Kommunikation zeigt und ihm außer dem Einsatz der Polizei nicht viel einfällt im Umgang mit der Protestbewegung.

Es ist gut, dass die mutmaßlich jetzt an der Prügelattacke beteiligten Polizisten schnell vom Dienst suspendiert wurden und die Polizei sich ingesamt noch relativ zurückhält. Doch ihre vermeintliche Unschuld hat sie ebenso verloren. Alle wissen nun, dass sie sehr wohl ein Herrschaftsinstrument und zum Einsatz gegen die Demokratiebewegung bereit ist.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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