Kommentar Präimplantationsdiagnostik : Embryonenselektion in der Petrischale

Der Deutsche Ethikrat ist nicht das Ruhekissen der Nation. Wir alle sind gefragt, ob wir eine Gesellschaft wollen, in der die Embryonenauswahl zur Routine gehört.

Nachdem vor wenigen Tagen die Bundesärztekammer einen Memorandumsentwurf zur Präimplantationsdiagnostik (PID) vorlegte, hat jetzt auch der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme und Empfehlungen dazu veröffentlicht.

Er ist bei der Frage, ob der Embryonencheck im Reagenzglas zulässig sein soll, genauso zerstritten wie die Gesellschaft. Das ist gut so, denn damit wird deutlich, dass dieses Gremium nicht das ethische Ruhekissen der Nation ist und auch nicht sein darf.

Bei den mit der PID zwangsläufig verbundenen Fragen sind wir alle gefordert, Positionen zu beziehen: Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Embryonenselektion im Reagenzglas zulassen wollen, damit mit einer schweren Erbkrankheit belastete Eltern - vielleicht - der Kinderwunsch erfüllt werden kann.

Der Preis wird sein, dass für die PID zusätzliche Embryonen hergestellt werden, von denen von vornherein klar ist, dass die meisten davon wieder verworfen werden, selbst dann, wenn sie nicht die krankheitsauslösenden Gene in sich tragen.

Berücksichtigt werden muss auch, dass die medizinische und technische Entwicklung weitergehen wird. Schon jetzt ist abzusehen, dass demnächst Gen-Chips auf den Markt kommen, mit denen in einem einzigen Arbeitsgang nach rund 500 verschiedene Erbkrankheiten gefahndet werden kann.

Eine kleine Mehrheit im Ethikrat spricht sich in ihrem Votum für eine streng begrenzte Zulassung der PID aus. Von jährlich vielleicht 200 betroffenen Paaren ist die Rede. Dabei liegen jetzt schon die Forderungen von einigen Humangenetikern und Politikern auf dem Tisch, dass diese Eingrenzung viel zu eng sei. Einige fordern sogar eine völlige Freigabe.

Ist eine begrenzten Zulassung erst einmal da, werden Eltern, deren Erbkrankheit nach dem Gesetz nicht schwer genug ist, um eine PID durchführen zu lassen, vor Gericht ziehen. Zu befürchten ist, dass dann nach und nach per Gerichtsbeschluss die Eingrenzung der PID erweitert wird. Denn ein schlüssiges Konzept, wie die Embryonenauswahl begrenzt bleiben kann, haben die PID-Befürworter bisher nicht vorlegt.

Auch bei den derzeit vorliegenden Gesetzesentwürfen im Bundestag, die sich für eine PID-Zulassung aussprechen, ist nicht zu erkennen, wie verhindert werden kann, dass sich die PID-Tür immer weiter öffnet.

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Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.

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