Kommentar Prostitution: Ein dreckiges Geschäft

Die Razzia im Berliner Großbordell „Artemis“ beweist: Saubere Prostitution ist eine Illusion. Also doch besser verbieten?

Mehrere Polizeiautos parken vor dem Bordell Artemis

Großrazzia im Artemis: Sozialversicherungsbetrug, Menschenhandel, Ausbeutung, alles dabei Foto: dpa

Bei der Erwähnung des Berliner Großbordells Artemis rollten Prostituierte regelmäßig mit den Augen: Man müsse dort nackt arbeiten und sogar „ohne“, was „ohne Kondom“ heißen sollte; ausbeuterisch seien die Arbeitsverhältnisse – aber das alles immer auf der Ebene des Hörensagens, alles nicht offiziell.

Das passte mit der Außendarstellung des Artemis nicht zusammen, dem „High Class Erotic Wellness and Sauna Club“. Es durfte auf Bussen der Berliner Verkehrsbetriebe werben, hatte einen Pressesprecher, ist behindertengerecht und sein Betreiber tönte zur Eröffnung im Jahr 2005: „Ich werde beweisen, dass man einen solchen Laden ohne Zuhälter führen kann“.

Und nun: Großrazzia, Sozialversicherungsbetrug, Menschenhandel, Ausbeutung, Hells Angels als prügelnde Zuhälter, alles dabei. Geplatzt der Mythos vom sauberen Bordell.

Das Artemis gilt als Kind des rot-grünen Prostitutionsgesetzes von 2001. Etliche Strafvorschriften, die den Bordellbetrieb zuvor erschwerten, wurden abgeschafft, Prostitution als Dienstleistung geregelt.

„Deutschland ist das Bordell Europas“

Seitdem wuchs aber auch die grundsätzliche Gegnerschaft zur Prostitution: Sexistische Werbung und Angebote wie Flatrate-Puffs entsetzten viele Menschen. „Deutschland ist das Bordell Europas“ geworden, hieß es immer wieder und hier sei die „Drehscheibe des Menschenhandels“. Die feministischen Femen ketteten sich vor dem Artemis an, Alice Schwarzer polemisierte und rief dazu auf, Prostitution ganz zu verbieten. Saubere Prostitution – das sei eine Illusion.

Die Razzia scheint ihr nun Recht zu geben: Zuhälter, Betrug, misshandelte Frauen – auch bei den angeblichen Saubermännern vom Artemis. Also lieber doch ganz verbieten? So einfach ist es leider nicht.

Denn die Zuhälterei blüht vor allem da, wo Prostitution illegal ist und die Frauen einen „Beschützer“ brauchen, weil sie sich nicht an die Polizei wenden können. Die einzige Art, Frauen vor ausbeuterischen Beziehungen zu schützen, ist, ihnen Rechte zu geben und sie nicht im Regen stehen zu lassen, wenn es ihnen in ihrem Beruf schlecht ergeht.

Der Kapitalismus der Körper

Dass es Frauen im Artemis nicht gut geht, war in der Szene offenbar bekannt. Aber die Hilfsorganisationen wurden in den Club einfach nicht hineingelassen. Endstation.

Wie kann man ausgebeuteten Opfern von Menschenhandel helfen? Durch das Verbot ihrer Tätigkeit? Nein. Es muss genauso gehen, wie in anderen Zwangsverhältnissen. Etwa was ausländische Haushälterinnen angeht, die hier ausgebeutet werden: Die Unterstützungsstruktur muss so stark sein, die Menschen müssen so geschützt werden, dass sie sich aus dem Verhältnis lösen können oder sogar Strafanzeige erstatten.

Und diejenigen, die mit der Prostitution anderer Geld verdienen, müssen kontrolliert werden. Der Kapitalismus der Körper braucht ebenso Regulierung wie der Kapitalismus als Ganzes.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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