Kommentar Protest in Israel: Chance auf Frieden von unten

"Zuerst die Wirtschaft, dann der Frieden" ist ein Slogan bei den Protesten in Israel. Die Bewegung hat die Chance, brisante Themen auf die Agenda zu bringen.

Seit vor einem Monat auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv die ersten Zelte aufgestellt wurden, ist Israels neue Protestbewegung stark angewachsen. Sie wurde so stark, weil sie sich auf den Ruf nach mehr "sozialer Gerechtigkeit" konzentrierte. Doch langsam werden die Forderungen politischer. So gingen etwa am Samstag Zehntausende im ganzen Land für die Gleichberechtigung von arabischen und jüdischen Israelis auf die Straße. Dieser Trend birgt Gefahren, aber auch Chancen.

Zu den Gefahren gehört, dass die Bewegung auseinanderfällt. Schon jetzt fordern viele, die Protestbewegung müsse sich auf einzelne Ziele fokussieren und zeigen, dass sie diese auch erreichen kann. Vorschläge wie die einer Kürzung des Verteidigungsbudgets zugunsten sozialer Wohlfahrt dagegen sind geeignet, einen Keil zwischen die bisher geeinten Lager zu treiben. Die Bewegung braucht aber das Wohlwollen der Bevölkerungsmehrheit. Fällt dieses weg, werden bald auch die Zeltstädte geräumt.

Andererseits fragen sich viele: Wann, wenn nicht jetzt, besteht sonst die Chance auf politischen Wandel? "Zuerst die Wirtschaft, dann der Frieden", diese Losung haben sich deshalb große Teile der Protestbewegung auf die Fahne geschrieben.

ANDREAS HACKL ist freier Autor der taz in Israel.

Auch wenn Israel nicht Ägypten ist: Der Aufstand der Mittelschicht hat eine völlig neue nationale Einheit geschaffen. Endlich könne man wieder träumen, heißt es. Wenn die Bewegung jetzt vorsichtig damit beginnt, auch brisante Themen wie die jüdischen Siedlungen und die Gründung eines Palästinenserstaats anzusprechen, könnte das jene bisher schweigende Mehrheit aller Israelis mobilisieren, die bereit sind, für die überfällige Zweistaatenlösung auch ein Opfer zu bringen.

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