Kommentar Psychotests beim Arbeitsamt: Freiwillig ist nicht gleich freiwillig

Langzeitarbeitslose stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitsamt und müssen befürchten, als Querulanten zu gelten, wenn sie sich der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils verweigern.

Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Abschlusszeugnisse, Qualifikationen und Berufserfahrungen. Soweit kann man der Idee der Nordfriesen gut folgen, die ihren Langzeitarbeitslosen anbieten, ein Persönlichkeitsprofil erstellen zu lassen. Man wolle den ganzen Menschen sehen und erkennen, wo seine Stärken liegen, um einen passenden Job zu finden.

Leise Zweifel an dieser Methode kommen auf, wenn man in der Einleitung des erstellten Profils liest, dass auf Grundlage der Antworten das "emotionale Gleichgewicht errechnet" wurde. Wie errechnet man emotionales Gleichgewicht? Über die Methode erfährt man nur, dass sie qualitativ hochwertig und wissenschaftlich erprobt ist.

Und was heißt es für die Arbeitsvermittler, wenn die Antworten ergeben, dass das Gegenüber völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist und besser erst mal einen Therapeuten als einen Job braucht?

Denn Geld für die intensive Betreuung von Langzeitarbeitslosen und Therapieplätze sind in Nordfriesland ebenso rar wie Jobs. Im Zweifel bleiben die Vermittler mit der Erkenntnis zurück, ein Problem erkannt zu haben, aber nicht helfen zu können.

Die Frage ist auch, wie freiwillig sich Langzeitarbeitslose entscheiden können - stehen sie doch in einem krassen Abhängigkeitsverhältnis und müssen befürchten, als Querulant zu gelten, wenn sie sich verweigern.

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Jahrgang 1977, die Soziologin arbeitete fast 15 Jahre - meist als freie Autorin - für die taz nord sowie für den NDR in Hamburg als Nachrichtenredakteurin Online und Radio, ging dann kurz zum stern und war anschließend stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Hamburger Morgenpost. Seit 2023 ist sie Redaktionsleiterin der taz nord.

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