Kommentar Reform des EU-Urheberrechts: Das Internet ist kaputt

Die neuen EU-Regeln für das Internet sind gut gemeint. Netzaktivisten sehen sie als Zensur, am Ende profitieren nur wieder die IT-Konzerne.

An einer Wand hängen viele bunte Papierbildchen, die zum Teil übereinander hängen

In Zukunft gibt es Memes wieder analog Foto: chuttersnap/unsplash

Wissen verbreiten, seine Meinung kundtun, sich in Szene setzen: Das ist zwar ganz im Sinne der Erfinder*innen des World Wide Web. Doch was dem einen gefällt, schadet womöglich einem anderen. Das Internet ist kaputt, weil jeder macht, was er will. Der EU-Apparat versucht es nun mit neuen Regeln, um das Netz endlich zu kitten. Wieder einmal.

Ein starkes Leistungsschutzrecht soll Urheber*innen schützen. Software-Filter, die Beiträge auf ihre Verfasser*innen hin scannen, sollen zur Pflicht für alle Anbieter werden. Es ist der verzweifelte Versuch, das zügellose Treiben in der digitalen Welt zu bändigen und denjenigen zu ihrem Recht zu verhelfen, für die das Netz noch keine Goldgrube ist.

Die Idee ist gut gemeint. Wirklich. Doch selten zuvor legte die Lobbyistenmaschine der Netzaktivist*innen und der Internetkonzerne gleichermaßen Turboprotest in Brüssel ein wie nun vor der Abstimmung zur Reform des EU-Urheberrechts. Von Zensur sprechen die Aktivist*innen, vom Aus für die freie Meinungsäußerung, von nichts Geringerem als dem Ende des freien und offenen Internets. Google und Co. dagegen fürchten schlicht um ihre Marktmacht.

Tatsächlich trifft der Vorschlag vor allem diejenigen, die das Netz eigentlich zu dem machen, was es ist. Zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die Missstände aufdecken und im Internet veröffentlichen. Oder Menschen, die sich online über die politische Weltlage lustig machen, die Debatten anstoßen, für die sonst kein Platz ist. Und Expert*innen aus allen Bereichen, die ihr Wissen nicht nur mit Auserwählten teilen, sondern mit dem Rest der Welt. Vermutlich würden genau ihre Beiträge die neuen EU-Schranken nicht passieren können. Profitieren würden dagegen die, die klammheimlich bereits unser Nutzerverhalten im Netz bestimmen, also große Verlage und IT-Konzerne.

Profitieren würden dagegen die, die klammheimlich bereits unser Nutzerverhalten im Netz bestimmen, also große Verlage und IT-Konzerne

Die digitale Welt ist irre und irre kompliziert. Blöd nur, wenn die Falschen durch juristische und bürokratische Raster fallen. Man mag nicht in der Haut der EU-Abgeordneten stecken, die über den Schutz der Urheber*innen und die Freiheit der eigenen Meinung urteilen müssen.

Ja, das Internet ist kaputt. Doch auch Regeln wie die Pflichtfilter werden das Netz nicht reparieren. Was helfen würde, wäre mehr Unabhängigkeit von den Tech-Riesen, die unser Treiben im Netz so sehr im Griff haben. Doch davon ist die Politik noch weit entfernt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.