Kommentar Regierungsbildung im Kosovo: Premier von Serbiens Gnaden

Will Haradinaj regieren, muss er einen serbischen Teilstaat anerkennen. Konflikte mit der Opposition sind programmiert – zum Vorteil Serbiens.

Ramush Haradinaj, seine Frau Anita lehnt lächelnd an seiner Schulter

Ramush Haradinaj und Ehefrau Anita Foto: reuters

Wie kann man eigentlich der serbischen Bevölkerung erklären, dass man einerseits einen „Kriegsverbrecher“ von Interpol verfolgen lässt und ihn andererseits durch die Stimmen der serbischen Minderheit im Kosovo zum Ministerpräsidenten macht? Sicherlich wird das dem Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vučić, sogar gelingen. Er verfügt über die Deutungshoheit in seinem Land und hat die Presse fest im Griff. Und jetzt ist er dem Ziel näher gekommen, auch wieder in Kosovo direkt hineinregieren zu können. Serbien hat die Unabhängigkeit Kosovos nie anerkannt. Und braucht dies in nächster Zukunft auch nicht zu tun.

Denn vor allem die Stimmen der serbischen Minderheit in Kosovo verhalfen dem ehemaligen UÇK-Führer Ramush Haradinaj, jetzt Ministerpräsident Kosovos zu werden. Wie der mit dieser Lage umgehen wird, ist leicht vorauszusehen. Denn auch die EU und die internationale Gemeinschaft wünscht sich wie Vučić, dass Haradinaj einige Bedingungen erfüllt.

Vor allem muss er die größte Kröte schlucken und die Assoziation der serbischen Gemeinden im Kosovo anerkennen, die wie die Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina ein Staat im Staate werden wird. Brüssel sieht dies als Voraussetzung für die Integration beider Staaten in die EU an. Haradinaj, der noch im letzten Jahr diese Forderung als Oppositionspolitiker heftig bekämpfte, hat jetzt Kreide gefressen und gibt sich als „Realpolitiker“.

Haradinajs ehemaliger Bündnispartner in der Opposition, der Vorsitzende der Partei Selbstbestimmung, Albin Kurti, will die Gründung eines serbischen Teilstaates in Kosovo mit aller Macht verhindern. Schon jetzt ist Kurti von Serbien, der EU und den USA als Störenfried Nr.1 abgestempelt, hat aber die Mehrheit der Jugend auf seiner Seite. Haradinajs Regierung dagegen steht auf wackeligen Füssen. Vučić allerdings kann ruhig den innenpolitischen Konflikten im Kosovo entgegensehen: Sie sind gut für ihn.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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