Kommentar Regierungserklärung Frankreich: Sparen ohne Tränen

Die Regierung will Wachstum und Sparen verbinden. Sie will die Reichen stärker belasten und Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Doch ihr Spielraum ist gering.

Die Vertrauensabstimmung war für den französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault nur eine Formalität. Seine Partei verfügt über die absolute Mehrheit und auch die Grünen stimmten – trotz einiger energie- und umweltpolitischer Einwände für ihn. Sie sind loyale Koalitionspartner. Die Abgeordneten der Kommunisten und Linkspartei dagegen enthielten sich. Für sie ist die Wahlparole „Wechsel jetzt“ („Changement maintenant“) doch nur sehr ungenügend umgesetzt. Also demonstrierten sie ihren Unwillen.

Die ersten Tage der Macht waren von den Gesten und Symbolen der Sieger bestimmt, aber jetzt beginnt die undankbare Zeit des Regierens. Am Vorabend der Regierungserklärung hatte der Rechnungshof eine Bestandesaufnahme der öffentlichen Finanzen unternommen: 2013 sollen mehr als 30 Milliarden in den staatlichen Kassen fehlen.

Diese Bilanz dürfte auch dem Letzten klarmachen, wie gering die Handlungsfreiheit der Regierung sein wird. Die Presse kündigte die unvermeidliche Wende zur Austeritätspolitik an und erwartete von Ayrault, dass er nun Opfer mit Blut und Tränen verheißen werde. Der aber versprach seinen Landsleuten eher unverdrossen, Frankreich zu retten - und zwar just mit dem von François Hollande und ihm angekündigten Spar- und Wachstumsprogramm.

Er leugnet nicht, dass dabei auch schmerzhafte Anstrengungen nötig seien. Nur eben müssten diese gerechter verteilt werden. Den Gürtel enger schnallen und zugleich den sozialen Ausgleich fördern, das ist für Ayrault kein Widerspruch, sondern die Losung der Stunde. Hilft das vielleicht, die absehbaren Restriktionen weniger knurrend und murrend hinzunehmen? Eher nicht.

Denn selbst wenn auch die Privilegierten künftig vom Fiskus mehr zur Kasse gebeten werden, der Sparkurs wird auch für Mehrheit der Franzosen schnell spürbar werden. Sogar am Tabu der Zahl der Beamten und deren Besoldung wird gerüttelt. Alle Ausgaben, die nicht absolut prioritär sind (wie Erziehung, Justiz und innere Sicherheit), stehen auf dem Prüfstand. Hollande hat sich im Gegenzug zum Wachstumspakt auf eine Schuldenbremse verpflichtet.

Nur eben Tränen soll es dabei nicht geben, weil doch alle Einschnitte erklärtermaßen dazu dienen, die angeschlagene Volkswirtschaft und die soziale Gerechtigkeit zu stärken. Ayrault kündigte zur Beruhigung an, 150.000 „Zukunftsjobs“ zu schaffen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Skrupel oder Bedenken zeigte Ayrault nicht.

Stattdessen bediente er sich munter des weltberühmten Refrains von Edith Piaf "Nein, ich bereue nichts" („Non, rien de rien, je ne regrette rien“) und versicherte: "Nein, wir verzichten auf nichts" („Non, non et non, nous ne renoncerons à rien“). Die Bilanz aber folgt erst nach der Gesetzgebung, die jetzt anfängt.

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