Kommentar Rehabilitierung: Panik statt Politik

Die SPD will die von der NS-Justiz wegen "Kriegsverrat" willkürlich hingerichteten Soldaten nicht rehabilitieren. Eine seriöse Geschichtsdebatte wird so zum Spielfeld kurzsichtiger Politikinteressen.

Die NS-Justiz hat vor mehr als 60 Jahren willkürlich Soldaten wegen "Kriegsverrats" hinrichten lassen. Dafür genügten NS-kritische Sätze in Tagebüchern, andere wurden hingerichtet, weil sie rebellische Kameraden nicht ans Messer lieferten. Die pauschale Aufhebung dieser Urteile ist überfällig. Das sehen die Kirchen und Ex-DDR-Bürgerrechtler so. Auch die Medien sind, unabhängig von politischen Vorlieben, für die Rehabilitierung der Kriegsverräter. Dies ist, wenn auch spät, ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass die geschichtspolitische Lagermechanik überwunden ist.

Nur die Unionsfraktion im Bundestag klammert sich, unbeeindruckt von den historischen Fakten, daran, dass "Kriegsverräter" ihre Kameraden egoistisch im Stich ließen. Das ist ein ideologisches Konstrukt, in dem noch mal das lange gepflegte Bild der sauberen Wehrmacht durchscheint. Damit ist die Union auch in ihrem eigenen Milieu wohl nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Doch offenbar glaubt die Union im Wahlkampf am rechten Rand nichts riskieren zu können.

All das könnte das selbstverschuldete Problem der Union sein - wenn die SPD-Fraktionsspitze ein wenig mehr Selbstbewusstsein hätte. Denn die SPD-Spitze traut sich nicht, den Gruppenantrag für die Aufhebung der NS-Urteile gegen Kriegsverräter zu unterstützen. Dass auch vier Parlamentarier aus dem Schwarz-Gelben Lager den Gruppenantrag unterschrieben haben, fällt dabei offenbar nicht ins Gewicht.

Das Motto der Bremser in der SPD-Fraktion ist: Was richtig ist, ist nicht entscheidend, nur nach Rot-Rot-Grün darf es nicht aussehen. So wird die seriöse Geschichtsdebatte zum Spielfeld virtueller politischer Farbenspiele. Das ist Panik statt Politik. Es zeigt, wie verängstigt die SPD ist. Sie traut es sich noch nicht mal zu, es mit den letzten Deutschnationalen in der Union aufnehmen zu können. Mit Verlaub, das ist eine Fehleinschätzung. So schwach ist noch nicht mal die SPD.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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