Kommentar Rüstungsforschung: Moralvolte zur rechten Zeit

Mit Verweisen auf Srebrenica und Terrorismus argumentiert die Uni Bremen für die Aufhebung des Banns der Rüstungsforschung. Ihre Motive sind zweifelhaft.

Der demagogische Dreh hat 1999 schon bei den Grünen funktioniert: Mit Verweis auf Auschwitz hatte damals Außenminister Joseph Fischer die einst strikt pazifistische Partei dazu gebracht, dem Angriff auf Serbien zuzustimmen.

Ähnlich argumentieren heute auch Wissenschaftler an der Bremer Universität. Mit Verweis auf die Gräuel von Srebrenica und den Al-Qaida-Terror versuchen sie zu begründen, warum die Uni ihr jahrzehntealtes Moratorium für Rüstungsforschung aufweichen sollte. Damals gab es den Kalten Krieg, doch heute gibt es friedensstiftende Blauhelme - und wer kann schon ernsthaft gegen deren Wirken sein, fragen sie.

An ihrer Kritik gegen "absoluten Pazifismus", den sie den Befürwortern der universitären Zivilklausel unterstellen, mag Wahres sein. Natürlich wäre auch der Sieg über den NS-Faschismus kaum geglückt, gäbe es keine Waffenkonstrukteure.

ist Redakteur bei taz-Nord.

Doch darum geht es den Zivilklausel-Gegnern nicht. Denn mit ihrer als aufgeklärter Verantwortungsmilitarismus daherkommenden moralischen Volte wollen sie ein Prinzip entsorgen, das sich die Bremer Universität selbst auferlegt hat. Sie erklären es nicht nur für moralisch rückgratlos, sondern gleich zu einem Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit - obwohl diese Beschränkung im besten Sinne einer Hochschulautonomie beschlossen wurde.

Ihre Motive dürfen dabei jedoch als zweifelhaft gelten. Denn der Rüstungsbann auf dem Bremer Campus gilt seit 25 Jahren. Ihren moralischen Modernisierungsbedarf entdecken die Dekane aber jetzt - justament sechs Tage nachdem ein Rüstungsunternehmen, dessen Zahlungen in Millionenhöhe schon verplant sind, ebendies verlangt hat. Die Hochschulautonomie, die sie so hoch halten, hat sich da längst verabschiedet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.