Kommentar SPD-Parteitag in Leipzig: Es geht nur so

Gabriels Wahlergebnis ist realistisch: Seine Analyse der Niederlage bei der Bundestagswahl war gut. Doch die Rolle der SPD unter Merkel bleibt vage.

Sigmar Gabriel mit Winkelement Bild: dpa

Die SPD ist unter der geschickten Regie von Sigmar Gabriel auf dem Weg in die Große Koalition. Das geht nicht gerade, sondern nur ruckelnd, mit Kurven, Wehklagen, Protesten. Und es geht nur so.

Dazu gehört auch das wenig beeindruckende, aber auch nicht schändliche Ergebnis von 83 Prozent, die der SPD-Chef von den Genossen bekam. Es heißt übersetzt: Ja, zur Regierungsbeteiligung, aber kein Blankoscheck.

Gabriel muss liefern, ein, zwei, drei Symbole im sozialdemokratischen Kerngeschäft: Mindestlohn, Regulierung bei Zeit und Leiharbeit, Verbesserungen beide der Rente. Das Mitgliedervotum ist dabei ein überschaubares Risiko. Denn bei allem Unmut über das Bündnis mit Merkel gibt es keinen Plan B.

Ein Nein der Basis wäre realpolitisch ein Totalschaden. Die SPD hätte, wenn überhaupt, eine ramponierte Führung, die die SPD wohl in Neuwahlen führen müsste, an der die Partei in aller Augen auch noch Schuld wäre. Ein Nein wäre selbstzerstörerisch, deshalb ist es so unwahrscheinlich.

Nur: Wenn alle glauben, dass die Basis sowieso Ja sagt, kann es wirklich schief gehen. Deshalb muss die Spannung gehalten, die Absturzgefahr stets dicht vor Augen geführt werden. Gabriel ist ein scharfsinniger Redner. Es ist kaum vorstellbar, dass in der Union jemand nach einer Wahlniederlage alles, was im Argen liegt, so schonungslos zur Sprache bringen könnte.

Und die Linkspartei?

Das Saturierte der Partei, ihre gemütvolle Moral, ihre Selbstbezüglichkeit, das Graugesichtige. Diese Analyse war glänzend, mutig, wenn auch fast immer mit rhetorischer Aussicht auf Besserung verbunden.

Was vage bleibt, ist wohin der SPD-Chef will, wenn die Große Koalition besiegelt ist. Die Partei müsse im Alltag wieder an der Seite der an den Rand gedrückten stehen und Advokat der kleinen Leute sein. Sie soll aber auch die gutverdienenden Arbeitnehmer, die für Merkels Weiter-So empfänglich sind, zurückgewinnnen. Sie muss wirtschaftsnäher werden. Und das verwaiste liberale Erbe der FDP antreten. Und sich Migranten, Frauen, Jungen öffnen.

Und, und, und. Das ist mehr als anspruchsvoll. Es ist, trotz aller schneidigen Formulierungskunst, richtungslos. Manchmal klang Gabriel wie einer, der die Partei jetzt mal richtig auf Vordermann bringen will. Ist er nicht schon seit vier Jahren verantwortlich für die SPD?

Eine neue Strategie Richtung Linkspartei hat die SPD trotz der formalen Öffnung für Rot-Grün-Rot nicht. Es herrscht die gleiche lärmende Ratlosigkeit, eine Mixtur aus Herablassung und trotzigem Beleidigtsein.

Solange Gabriel die linke Konkurrenz als verrückt beschimpft, gibt es keine Annäherung. Die beginnt, wenn die SPD der Linkspartei konkrete, verhandelbare politische Bedingungen stellt. Hart in der Sache, verbindlich im Ton. Und interessiert am Gelingen des Projekts.

Davon ist die Bundes-SPD sehr weit entfernt. Und damit auch von einer Alternative zur Große Koalition, irgendwann.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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