Kommentar SPD vor der Wahl: Der Schulz-Hype ist vorbei

Die SPD versucht, wieder in Schwung zu kommen. Sie will die FDP statt der Linken als Koalitionspartner ins Spiel bringen. Doch das ist ein Problem.

Martin Schulz zeigt mit geöffneter rechter Hand in Richtung Kamera

Martin Schulz musste nach der Saarland-Wahl erste Rückschläge einstecken Foto: dpa

Erinnern Sie sich noch an den Martin-Schulz-Hype? Kaum drei Wochen ist es her, dass er nach einem Wahlabend im kleinen Saarland verloren ging. Seitdem versucht die SPD ihn wiederzubeleben, indem sie die FDP statt der Linken als möglichen Koalitionspartner ins Spiel zu bringen versucht. Hilfreich ist das nicht.

Im Kern bleibt die FDP, was sie seit 1982 ist: eine neoliberale Partei, mit der man keinen Gerechtigkeitswahlkampf führen kann. So wie 2013 bei der SPD Peer Steinbrück und das sozialdemokratische Programm nicht zusammenpassten, droht der SPD diesmal eine Glaubwürdigkeitslücke zwischen Kandidat und gewünschtem Koalitionspartner.

Das größere Risiko für Schulz aber sind die Liberalen selbst. Je mehr er sie offensiv umwirbt, desto mehr dürfte sich Christian Lindner genötigt sehen, ein Bekenntnis abzugeben, nicht mit SPD und Grünen auf Bundesebene zu koalieren. Die FDP muss auf Wechselwähler aus der CDU hoffen, die Merkels Flüchtlingspolitik ablehnen, aber die AfD schmuddelig finden.

Bei enttäuschten Sozialdemokraten und Grünen hat die FDP nicht viel zu gewinnen. Weil sie in den Umfragen nur knapp oberhalb von fünf Prozent liegt, ist ein Bekenntnis der Liberalen gegen eine Zusammenarbeit mit der SPD überlebenswichtig. Damit droht der SPD dasselbe wie 2009, als Guido Westerwelle eine Woche vor der Wahl verkündete, die FDP sei „nicht der Mehrheitsbeschaffer von Rot-Grün“. Danach war der Wahlkampf gelaufen.

Der SPD droht eine Glaubwürdigkeitslücke zwischen Kandidat und Koalitionspartner

In den 80er Jahren ging die SPD noch mit dem Bewusstsein in Wahlkämpfe, die Grünen in Koalitionsverhandlungen schon kleinzukriegen. Heute trauen sich die Sozialdemokraten trotz guter Umfragewerte nicht zu verkünden, man werde der Linkspartei schon deutlich erklären, wer in einer Koalition Koch und wer Kellner sei. Die SPD ist noch immer eine zutiefst verunsicherte Partei – und der Schulz-Hype war eher ein Zeichen für eine manische Phase in einer tiefen Depression. Im Herbst warten wieder Merkel und Schäuble auf die SPD.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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