Kommentar Sandy und der Wahlkampf: Wirbelsturm als Chance

Wenn einer der Kandidaten für das US-Präsidentenamt einen Schub von außen braucht, dann Barack Obama. Er ist auch der Einzige, der von „Sandy“ profitieren kann.

Das gab es so noch nicht: Nur eine Woche vor der Präsidentschaftswahl, nach wochenlanger 24-Stunden-Wahlkampfberichterstattung, kennen die US-Medien kein anderes Thema mehr als Hurrikan „Sandy“, den „Frankenstorm“, den perfekten Sturm, den Monstersturm.

Die Herausforderung für beide Kandidaten ist einfach beschrieben und schwer zu meistern: Sie müssen aus dem Sturm maximalen politischen Profit ziehen, und damit das funktioniert, darf es unter keinen Umständen so aussehen, als würden sie auch nur einen Moment lang eben darüber nachdenken.

Grundsätzlich dürfte das dem Amtsinhaber leichter fallen. Er kann tatsächlich etwas tun, kann Bundesmittel für die betroffenen Gebiete freigeben, neben Mitgefühl auch Entschlossenheit zeigen, er trägt Verantwortung. Und ein ganz kleines bisschen könnte er dabei auch verdeutlichen, warum eine mit Finanzmitteln aus Steuergeldern ausgestattete Bundesregierung doch keine ganz dumme Idee ist, aber das darf er natürlich so nicht sagen. Genauso wenig darf er vom Klimawandel reden – dessen Existenz wird von vielen Republikanern bestritten, und jede Erwähnung würde als Politik ausgelegt. Für Krisenzeiten aber gilt: Ich kenne keine Kandidaten mehr, ich kenne nur noch „Sandy“.

Bei allen Vermutungen, ob der Sturm den Wahlausgang überhaupt beeinflussen kann und, wenn ja, in welcher Richtung: Eigentlich ist Obama der Einzige, der davon profitieren kann. Er kann als Präsident handeln, Mitgefühl und hemdsärmelige Aktivität zeigen, während der Herausforderer eigentlich nur im Weg stehen kann und seine Anklagen angesichts der Katastrophe plötzlich unzeitgemäß klingen. Damit wird Romney zwar umzugehen wissen. Er wird Mitgefühl und Solidarität zeigen und jede Kritik an Obama ein paar Tage lang einstellen oder zumindest im Ton herunterfahren, damit ihm der Sturm zumindest nicht schadet. Aber: Obama kann gewinnen, Romney kann bestenfalls nicht verlieren.

Seit der ersten Fernsehdebatte zwischen Obama und Romney ist Obama in der Defensive, seither hat Romney in allen wichtigen Umfragen stets zugelegt, der Wahlkampf ist so eng geworden, wie es noch vor vier Wochen niemand geglaubt hätte, und mehr Geld für den Endspurt hat Romney auch. Wenn jemand derzeit einen Schub von außen braucht, dann Obama. „Sandy“ ist seine Chance.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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