Kommentar „Scharia-Polizei“: Provokation gelungen

Die Salafisten sind undemokratisch und gewaltbereit. Aber in ein paar Halbstarken in Warnweste eine „Paralleljustiz“ zu wittern ist Alarmismus.

Wer ist hier von der Polizei? Wenn nötig, sind die Verhältnisse schnell geklärt. Bild: dpa

Stellen wir uns einmal vor: Ein paar Halbstarke laufen als Hipster-Polizei durch deutsche Städte und empfehlen den Leuten, Bionade zu trinken statt Bier. Würde der Innenminister des Landes, Thomas de Maizière, sagen: „Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen“? Würde Bundesjustizminister Heiko Maas betonen: „Für die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist allein der Staat verantwortlich“?

Zugegeben, der Vergleich hinkt. Die Salafisten, die in orangefarbenen Westen als „Scharia-Polizei“ auftraten, sind keine harmlosen Hipster, sondern waschechte Islamisten, deren Gesellschaftsvorstellungen so weit von der demokratischen Grundordnung entfernt liegen wie Mekka von Wuppertal. Ihre Propaganda bewegt sich im gefährlichen Graubereich von friedlicher Missionsarbeit und Gewaltbereitschaft. Jetzt aber von „illegaler Paralleljustiz“ (Maas) zu sprechen – das ist Alarmismus.

Empörung über Islamisten scheint in Zeiten der Terrormiliz Islamischer Staat en vogue zu sein. Nur haben die jungen Männer in den orangefarbenen Westen leider genau das erreicht, was sie wollten: Aufmerksamkeit. In der Szene werden sie nun gefeiert. Hier gehört es zum guten Ton, sich über Medien und Politiker lustig zu machen. Die Mehrheitsbevölkerung, so deren Grundbehauptung, lehne den Islam allein aus Unkenntnis und aufgrund der Lügen der Medien ab. Sven Lau, dem Anführer der „Scharia-Polizei“, spielt die Hysterie also in die Hände: Wie sie sich wieder alle aufregen, wenn wir versuchen, die Leute von Alkohol, Bordellen und Spielotheken fernzuhalten!

Es wird jetzt zu prüfen sein, ob die Aktion gegen das Versammlungsgesetz verstößt oder den Straftatbestand der Nötigung erfüllt. Anstatt aber wie CDU-Unionsfraktionschef Volker Kauder schärfere Gesetze zu fordern, sollte über Jugend- und Präventionsarbeit gesprochen werden – in Schulen, Familien und Moscheegemeinden. Reicht es, wenn Moscheen salafistischen Predigern die Pforten versperren?

Eine professionelle Jugendarbeit muss junge Muslime in ihrem Lebensalltag verstehen und darf auch vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Salafismus nicht zurückschrecken. Die Muslime selbst sind die größten Feinde der Salafisten. Denn wenn die Propaganda der Islamisten ins Leere läuft, werden die „Scharia-Polizisten“ als Erstes nach Hause gehen.

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ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

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