Kommentar Schlecker-Zerschlagung: Die Lage im Einzelhandel wird prekärer

Die Politik kann nicht der Ausputzer nach dem Schlecker-Aus sein. Aber sie muss Rahmenbedingungen schaffen, die die Ausbeutung im Einzelhandel erschwert.

Schlecker ist tot, mausetot. Die Drogeriehandelskette, die jahrelang wegen der rüden Behandlung ihrer Mitarbeiterinnen kritisiert wurde, wird zerschlagen; das Imperium des alten Patriarchen Anton Schlecker geht unter, weil er die Zeichen der Zeit nicht erkannte. Na und, mag sich mancher denken: Endlich ist der rumpelige Ausbeuterladen weg, und die 13.000 Entlassenen werden schon etwas anderes, Besseres finden! Schön wäre es, aber es ist leider nicht so. Im Gegenteil.

Die Schlecker-Beschäftigten, überwiegend Frauen, stehen vor dem Nichts. Sie und ihre Familien verlieren Einkommen, in manch ländlicher Region fällt damit die Familienernährerin aus. Unklar ist, ob und zu welchen Bedingungen sie eine neue Anstellung finden, was vor allem für ältere Schlecker-Frauen schwierig werden wird. Die Drogeriemarkt-Konkurrenz, die sich gern menschenfreundlich gibt, wird sie wohl nicht auffangen können.

Was bleibt, sind die großen Discounter – aber dort sind die Arbeitsbedingungen nicht besser als bei Schlecker. Wenn dann noch lange Anfahrtswege – auf dem Land ist der nächste Discounter auch gern mal 20 Kilometer entfernt – und kürzere Arbeitszeiten hinzukommen, wird deutlich: Wenn es überhaupt einen gibt, wird der neue Job oft schlechter als der alte sein. Die Prekarisierung im Einzelhandel, in dem es immer noch keinen Mindestlohn gibt, setzt sich weiter fort.

ist Redakteur im Ökologie- und Wirtschaftsressort der taz.

Problematisch ist die Schlecker-Pleite auch für viele Verbraucher – nicht in den Großstädten, wo es Alternativen gibt, sondern auf dem Land. Hier sind die kleinen Schlecker-Läden häufig die einzigen Drogerien weit und breit. Wo soll die schrumpfende Landbevölkerung künftig Windeln und Babynahrung, Kosmetika und Sonnencreme kaufen, wenn die Supermärkte nur ein eingeschränktes Sortiment führen? Im Internet, herangekarrt von Kuriersklaven?

Klar ist: Die Politik kann nicht der Ausputzer für den gescheiterten Schlecker-Patriarchen sein. Aber sie hätte eine Auffanggesellschaft unterstützen können, die den Betroffenen den Übergang in einen anderen Job erleichtert hätte – und einem Investor ein besseres Angebot ermöglicht hätte. Vor allem aber sollte sie die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Ausbeutung im Einzelhandel erschwert wird. Die Maßnahmen dazu: ein gesetzlicher Mindestlohn und die Abschaffung der Minijobs.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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