Kommentar Schwulen-"Heilung": Bekennen und bekehren

Die Gesellschaft differenziert sich weiter aus. Einzelne Gruppen müssen sich stärker profilieren, um wahrgenommen zu werden. Der Marburger Kongress ist ein Symptom dafür.

Dass evangelikale Christinnen und Christen glauben, Homosexualität sei "heilbar", ja dass diese "Heilung" nötig sei - das ist nicht neu. Neu ist, wie massiv sie mit ihren Ansichten in die Öffentlichkeit gehen, auch wenn die Aussagen der Bibel über die Homosexualität alles andere als eindeutig sind.

Eindeutig aber passt der jüngste Marburger Fall zu einer Tendenz, die in der deutschen Gesellschaft insgesamt zu beobachten ist: Die Konfessionen und Weltanschauungen differenzieren sich auch intern immer weiter aus, radikalisieren sich partiell und suchen selbstbewusster die öffentliche Aufmerksamkeit.

Dieser Trend ist bei den christlichen Kirchen, den islamischen Verbänden und im Judentum zu beobachten - aber auch bei den atheistisch-agnostischen Vereinigungen. In der katholischen Kirche steuert Papst Benedikt XVI. einen tendenziell fundamentalistischen Kurs, während etwa der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitzsch, meist dagegenhält. In den evangelischen Landeskirchen ist die Vielfalt größer: Homosexuelle Führungspersonen sind mittlerweile überall zu finden, während gleichzeitig am Rand des deutschen Protestantismus "bibeltreue" Gruppen durchaus Zulauf haben. Das Judentum ist in Deutschland wieder so bunt wie vor dem Holocaust, ja vielleicht vielfältiger denn je. Im hiesigen Islam gibt es zwar Fundamentalisten, aber auch starke liberale Gruppen. Und die von atheistischen Vereinigungen angebotenen Rituale wie die Jugendweihe bleiben jedenfalls im Osten fest etabliert. Die Kampagnenfähigkeit des Laizismus zeigt sich auch beim Widerstand gegen die Einführung eines Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion an Berliner Schulen.

In einer Gesellschaft, die sich immer weiter ausdifferenziert, geschieht Ähnliches auch bei den Weltanschauungen und Konfessionen. Zugleich zwingt die Mediengesellschaft alle Gruppen, ihr Profil zu schärfen. Das geistlich-geistige Leben wird dadurch vielfältiger, schroffer und verrückter auch. Dagegen ist nichts zu sagen.

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