Kommentar Serbien und Kosovo: Heilige Erde oder europäischer Weg?

Die serbische Regierung windet sich. Aber sie muss sich entscheiden: Kosovo behalten wollen und gleichzeitig in die EU eintreten geht nicht.

Für serbische Nationalisten scheint es immer noch undenkbar zu sein, die „heilige“ Erde des Kosovo aufzugeben, diesen für sie seit dem Mittelalter mythischen Boden. Dass Kosovo erst 1912 von serbischen Truppen erorbert und von Serbien annektiert worden ist, wird bei solch einer Schwärmerei schnell vergessen.

Die albanische Mehrheit wird nach den Erfahrungen unter serbischer Herrschaft nie wieder zu Serbien zurück wollen. Bis zum 16. April muss sich die serbische Regierung entscheiden. Sonst wird es nichts mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Und in die EU will die Mehrheit der Serben auch.

Dass Kroatien schon in diesem Sommer Vollmitglied wird, schmerzt die Serben. Die Hindernisse für die Prozeduren müssen weggeräumt werden. Kosovo behalten und gleichzeitig in die EU eintreten geht aber nicht. Auch in Brüssel hat die Geduld ihre Grenzen. Die Parallelstrukturen im Nordkosovo müssen abgeschafft werden, dann erst kann verhandelt werden, das hat Angela Merkel wiederholt klargestellt.

Der seit der Unabhängigkeit des kleinen Landes 2008 gültige Ahtisaari-Plan garantiert den Serben weitgehende Minderheiten- und alle Menschenrechte. Die serbischen Gemeinden können sich selbst verwalten, ihre Sprache und Kultur pflegen, sie können sogar direkte Beziehungen zu Belgrad unterhalten. Die Kosovo-Serben sind gegenüber den anderen Minderheiten der Bosniaken, Goranen und Roma priviligiert. Sie kontrollieren 25 Prozent des kosovarischen Staatsgebiets.

Staat im Staate

Die jetzige Forderung Belgrads, dem Norden den Status einer Art Republika Srpska einzuräumen, geht allerdings zu weit. Denn sie bedeutete den Aufbau eines Staates im Staate, der weiterhin jegliche Fortschritte in Kosovo blockieren kann. Wenn der serbische Ministerpräsident Ivica Dacic jetzt ausgerechnet von der Wahrung der Menschenrechte für die serbische Minderheit in Nordkosovo spricht, macht er sich vollends unglaubwürdig.

Wer den Aufbau rechtsstaatlicher Verhältnisse in dieser Region verhindert hat, sollte vorsichtig sein. Die Mehrheit der Kosovoserben lehnt die Extremisten des Nordens ohnehin ab. Die aus Kriminellen und nationalistischen Extremisten zusammengesetzte Elite Nordkosovos verhindert gerade jetzt die Etablierung funktionierender Gerichte, sie lässt zudem keinerlei Opposition und Diskussionsfreiheit zu.

Diesen Leuten muss das Handwerk gelegt werden. Das wäre eigentlich im Interesse Belgrads.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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