Kommentar Silvio Berlusconi: Freiheit für den Cavaliere

Das Mailänder Gericht verwandelt das Urteil gegen den früheren Staatschef Berlusconi in eine substanzielle Straflosigkeit.

Silvio Berlusconi im März bei einer Wahlkampfveranstaltung in Mailand. Bild: ap

Der Countdown läuft. Am Donnerstagnachmittag traten in Mailand die Richter zusammen, um darüber zu befinden, wie Silvio Berlusconi sein noch ausstehendes Jahr Haft wegen Steuerbetrug abbüßen soll – und in den nächsten Tagen werden sie ihre Entscheidung bekannt geben.

Man könnte meinen, die 20 Jahren währende Straffreiheit für Berlusconi habe damit jetzt ein Ende. Immer wieder konnte er in der Vergangenheit per Prozesseinstellung wegen Verjährung oder auch einfach per Änderung nicht genehmer Gesetze seinen Hals aus der Schlinge ziehen. Diesmal aber scheint der Strafantritt unvermeidlich.

Gitterstäbe aber wird Berlusconi nicht zu Gesicht bekommen. Die Richter werden zwischen Hausarrest und Sozialstunden wählen. Das im Vorfeld der Entscheidung vorgelegte Gutachten empfiehlt die denkbar schwächste Form der Strafe: einmal pro Woche müsste Berlusconi in einem Heim für behinderte Senioren zum Sozialeinsatz anrücken, voraussichtlich für neun Monate. Das war’s.

Doch Berlusconi erfüllt nicht einmal die elementarste Voraussetzung für die Möglichkeit, statt Haft Sozialstunden zu leisten. Explizit sieht das italienische Recht als Bedingung vor, dass der Schuldige Einsicht in sein Verbrechen zeigen muss. Davon kann bei einem Mann, der täglich gegen die Staatsanwälte hetzt, der sie als Putschisten und Rechtsbeuger verunglimpft, nun wirklich keine Rede sein.

Dennoch hat Berlusconi beste Chancen, in den Genuss dieser Regelung zu kommen. Und der Mann hat vor, das nach Kräften auszunutzen; er will sich voll im Europawahlkampf engagieren. Billiger kann er nicht davonkommen. Sollte das Mailänder Gericht für diese Lösung optieren, so wäre das Urteil erneut in sein Gegenteil verkehrt, wäre die Strafe in substanzielle Straflosigkeit verwandelt.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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