Kommentar Snowden und Deutschland: Wenn Snowden hier auftauchte …

Die Bundesregierung würde Snowden nie einladen – aber wenn er plötzlich da wäre, käme Angela Merkel mit dem Sachzwang klar.

Was, wenn Snowden illegal einreiste, mithilfe von Schleppern, mit Perücke und falschem Pass? Oder bei Maischberger und Jauch auftauchte? Bild: dpa

Wenn Snowden auf eine Einladung der Bundesregierung wartet, dann kann er lange warten. Sollte er aber plötzlich in Deutschland auftauchen, wird es die Große Koalition wohl kaum wagen, ihn den Amerikanern auszuliefern. Wenn Snowden plötzlich da wäre, das wäre ein Sachzwang und mit Sachzwängen kann Angela Merkel bekanntlich umgehen.

Offensichtlich will Edward Snowden weg aus Russland. Das Asyl dort für den Whistleblower ist auf ein Jahr befristet, und es ist unklar, welche Freiheiten Snowden hat, dort Dinge zu tun und zu sagen, die den USA nicht gefallen. Ursprünglich stand das Asylangebot jedenfalls unter der Bedingung, dass Snowden den USA nicht weiter schadet.

Die Bundesregierung könnte Snowden problemlos nach Deutschland holen. Doch das wird sie kaum tun, zu groß wäre der Affront gegenüber den USA. Das zeigten an diesem Wochenende schon die beflissenen Versuche, Snowden nach Möglichkeit in Moskau zu vernehmen.

Was aber, wenn Snowden plötzlich in Berlin auftaucht wie andere Flüchtlinge auch: illegal eingereist, mithilfe von Schleppern, mit Perücke und falschem Pass. Machbar ist vieles, gewisse Medien würden für eine exklusive Reportage wohl einiges Geld investieren. Und Snowdens russische Bewacher würden vermutlich gern wegschauen, wenn sie den Unruhestifter los sind. Sie hatten ihre Show – Snowden kann gehen.

„Unser Snowden“

Snowden in Berlin – würde er sofort festgenommen und ausgeliefert? Oder würde die Bundesregierung ihre Möglichkeiten nutzen, die Auslieferung abzulehnen? Es ist eine Frage der Öffentlichkeit. Wenn Snowden morgens vor Journalisten in der Bundespressekonferenz spricht und abends die Talkshows von Maischberger bis Jauch beehrt, dann wäre er bald „unser Snowden“, den eine Regierung nur noch um den Preis der völligen moralischen Blamage ausliefern könnte.

Merkel könnte relativ billig signalisieren, dass Deutschland nicht der Pudel der USA ist (ein Aussetzen der Free-Trade-Verhandlungen wäre für Deutschland viel teurer). Und die USA? Sie würden laut protestieren, intern grummeln und doch wissen, dass sie Merkel nach der jahrelangen Überwachung eine kleine Revanche zubilligen müssen. Eine Kanzlerin Merkel, die in der Welt noch ernst genommen wird, ist für die USA schließlich nützlicher als eine düpierte Marionette.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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