Kommentar Spionage NSA-Ausschuss: Ein Angriff auf das Parlament

Ein BND-Mitarbeiter soll Informationen an die USA gegeben haben. Nun stehen alle deutschen Abgeordneten in der Verantwortung, Sommerpause hin oder her.

Spionageabwehrversuch auf deutsche Art: Ein Teilnehmer des NSA-Untersuchungssauschusses. Bild: dpa

Irgendwie schien sich alles zu beruhigen. Die Obama-Administration hatte versprochen, Merkels Kanzler-Handy nicht mehr anzuzapfen. Die Deutschen hatten die Amerikaner in Brasilien besiegt. Und dass die Bundesregierung lieber auf einen veritablen Konflikt mit den USA verzichtete, statt Edward Snowden nach Deutschland zu holen, um ihn zu befragen, hatten weite Teile der Bevölkerung längst akzeptiert. Man hat sich in den neun Jahren Kanzlerschaft Merkel daran gewöhnt, dass im Zweifel Pragmatismus und Staatsräson siegen, und der Kampf für demokratische Grundsätze geopfert wird, um Risiken zu vermeiden.

Dieser Burgfriede muss mit diesem Wochenende beendet werden. Wenn sich bewahrheitet, dass die US-amerikanische Botschaft einen deutschen Spion benutzt hat, um an Informationen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss zu kommen, ist das mit nichts, aber auch mit gar nichts zu rechtfertigen.

Wenn es stimmt, dass ein BND-Mitarbeiter seit zwei Jahren die Amerikaner mit Geheimdienstinformationen füttert, ist das ein so schwerer Vertrauensmissbrauch, dass auch die Beschwörungsformeln der „Transatlantischen Beziehungen und ihrer Bedeutung“ nicht länger verschleiern dürfen, wie die USA ihre Beziehung zu Deutschland in Wahrheit definiert. Und dass dieses Verständnis mit der viel zitierten „Freundschaft auf Augenhöhe“ nichts zu tun hat. Und selbst das zutreffendere Bild einer verlässlichen Partnerschaft nicht stimmt.

Nicht nur Freunde, auch Partner müssen sich, um sich aufeinander verlassen zu können, vertrauen. Dieses Vertrauen ist spätestens jetzt zerstört.

Deutsches Duckmäusertum

Anstatt die Bundesregierung umgehend über den BND-Mitarbeiter zu informieren, der geheime Informationen angeboten hatte – und niemand kann wissen, an wen sonst noch – hat man sich auf dieses Geschäft offensichtlich eingelassen. Damit belegen die Amerikaner einmal mehr, dass im Zweifel Vertrauen gebrochen und die kurzfristigen eigenen Interessen Vorrang haben. Die Freundschaftsbekundungen mit hochgekrempelten Ärmeln scheinen seit dem 4. Juli 2014 endgültig als eine bloße Inszenierung entlarvt.

Offensichtlich hat sich weder in Washington noch in Berlin herumgesprochen, dass die Zeiten, in denen die USA vorgaben, was Recht und Ordnung ist und Deutschland selbstverständlich folgte, vorbei sind. Angesichts von Guantanamo, den Foltergefängnissen in Polen und Rumänien und dem Krieg in Afghanistan und im Irak müssen sie vorbei sein.

Es ist besonders perfide, dass der BND-Maulwurf ausgerechnet im Zusammenhang mit dem NSA-Ausschuss arbeitete. Dem Ausschuss, der vom Parlament eingesetzt wurde, um die Machenschaften der amerikanischen Geheimdienste und der Regierung zu überprüfen.

Alle Parlamentarier stehen jetzt in der Verantwortung, unabhängig von ihrem Parteibuch. Denn sollten sich die Informationen bewahrheiten, haben die USA nicht irgendeine Privatperson und auch nicht nur das Handy einer Bundeskanzlerin ausspioniert. Dieser Vorgang ist ein Angriff auf die Souveränität des gesamten deutschen Parlamentes.

Entsprechend müssen die gewählten Volksvertreter reagieren.

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Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

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