Kommentar Stammzellen-Urteil: Forschen bleibt erlaubt

Der Schutz des Embryos "von Anfang an" ist kein Ziel. Ab wann ein Embryo zum Mensch wird und damit tabu ist, sollte allein von der Gesellschaft beantwortet werden.

Wandern europäische Stammzellforscher jetzt massenweise in die USA oder nach China aus? Werden dort jetzt die Lösungen für Krankheiten wie Alzheimer entwickelt, die wir eines Tages teuer von dortigen Konzernen einkaufen müssen?

Das befürchten manche, nachdem der Europäische Gerichtshof das Patentrecht sehr streng ausgelegt hat: Forschungsmethoden, bei denen Embryonen zu Schaden kommen, dürfen in Europa nicht patentiert werden.

Doch ob das die Wissenschaft tatsächlich spürbar beeinträchtigt, bleibt abzuwarten. Schließlich besteht ja kein Forschungs-, sondern nur ein Patentverbot. Wissensdurst aber braucht keinen Patentanreiz. Und wenn weniger Geld von Konzernen fließt, dann muss eben der Staat seine Grundlagenforschung ausweiten - wenn es denn so wichtig ist.

Patentkritiker finden sogar, dass Patente die Forschung mehr behindern als anstacheln. Vielleicht ist das weitgehende Patentverbot also nur ein symbolischer Akt. Wahrscheinlich hat es aber doch eine gewisse steuernde Wirkung: Schon jetzt hat sich die Forschung mehr den körpereigenen Zellen zugewandt, etwa um aus ihnen Reparaturgewebe zu entwickeln. Ohne Embryonenverbrauch.

Allerdings ist der Schutz des Embryos "von Anfang an" auch kein Ziel, das sich von selbst versteht. Das strenge deutsche Embryonenschutzgesetz war 1990 ein Kotau der Kohl-Regierung vor den Kirchen. Ab wann der Embryo zum Mensch wird und damit tabu ist, sollten allerdings nicht nur Religiöse und Technikkritiker beantworten, sondern die Gesellschaft.

Bewährte Demokratien wie Großbritannien sind bei der Forschung mit menschlichen Zellhaufen viel großzügiger als Deutschland. Beim Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat aber offensichtlich das deutsche Denken gesiegt.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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