Kommentar Streit in der Linkspartei: Der Kampf geht weiter

Die Partei- und Fraktionschefs haben einen halbgaren „Kompromiss“ geschlossen. Der Machtkampf geht weiter. Ganz im Sinne der „Reformer“.

Dietmar Bartsch sitzt an einem Tisch und telefoniert

Virtuoser Strippenzieher: Linkspartei-Fraktionschef Dietmar Bartsch Foto: dpa

Was für ein peinliches Schauspiel führt die Linkspartei in diesen Tagen auf! Die Klausurtagung ihrer Bundestagsfraktion bildete den vorläufigen Höhepunkt einer Schlammschlacht, die seit der Bundestagswahl mit unglaublicher Brutalität ausgetragen wird. Von wüsten Beschimpfungen über Mobbingvorwürfe bis hin zu skurrilen Rücktrittsdrohungen: Statt als kämpferische linke Opposition präsentiert sich die Partei gegenwärtig als wilder Intrigantenstadl, in dem jedes Mittel zur Bekämpfung des innerparteilichen Gegners probat scheint.

Die gegenseitig geschlagenen Wunden sind tief. Es wäre naiv, zu glauben, dass nach dem halbgaren „Kompromiss“ zwischen den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf der einen und den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger auf der anderen Seite nun der Streit beigelegt wäre. Wer den grimmigen Auftritt Wagenknechts nach ihrer Wiederwahl gesehen hat, dem dürfte klar sein: Der Kampf geht weiter.

Was diese Kontroverse so selbstzerstörerisch macht: Auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheinen mag, geht es realiter nicht um Inhalte. Auch nicht um die tatsächlich bestehenden Differenzen in der Flüchtlings- und Integrationspolitik oder beim Thema Europa. Ginge es nur darum, dann könnte der Streit rationaler und mit weniger Verletzungen ausgetragen werden – und die innerparteilichen Frontstellungen würden anders aussehen. Denn dann bekäme das Bündnis der „Wagenknechtianer“ mit den „Bartschisten“ schnell Brüche.

Doch obwohl der sogenannte Reformerflügel dem Parteizen­trum um Riexinger und Kipping eigentlich inhaltlich wesentlich näher steht, hat er sich dafür entschieden, lieber im Windschatten der Tradi­tionslinken um Wagenknecht zu segeln – bis hin zur politischen Selbstverleugnung. Anstatt in die inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen, reibt sich die Parteirechte die Hände: Während sich das Wagenknechtlager und das undogmatisch linke Parteizentrum um Riexinger und Kipping zerfleischen, sichern Dietmar Bartsch & Co. ihre Pfründe.

Gerade die „Reformer“ hätten nach der Bundestagswahl viel aufzuarbeiten. Ihr „realpolitisches“ Politikkonzept steckt offenkundig in einer tiefen Krise, wie die dramatischen Verluste in ihren Osthochburgen zeigen. Wer sich den trostlosen Zustand der Linkspartei in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern anschaut, sieht dabei schnell, dass das größte Problem nicht gerade ihre progressive Position in der Flüchtlingsfrage sein dürfte.

Ausgerechnet in ihren Stammländern – also dort, wo sie sich lange als „Volkspartei“ fühlen durfte – wirkt die Partei vielfach ausgebrannt und ideenlos. Im negativen Sinne ist sie inzwischen längst Teil des etablierten Politikbetriebs. Aufrührerischen Geist, Lust auf gesellschaftliche Veränderung sucht man vergebens. Da erscheint es fast zwangsläufig, wenn sich dort der Protest gegen als ungerecht empfundene Verhältnisse nicht mehr in einer Stimmabgabe für die Linkspartei artikuliert.

Diskussionen darüber wären sinnvoller als unproduktive Machtkämpfe. Im Interesse von Bartsch und seinem Anhang wäre das allerdings nicht, sind sie doch maßgeblicher Teil des Problems.

Es ist erstaunlich: Ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit werden immer noch fast alle Ost-Landesverbände – mit Ausnahme Thüringens – von früheren SED-Mitgliedern geführt. Auch Dietmar Bartsch steht für jene Garde einstiger realsozialistischer Nachwuchskader, die nach der Wende als vermeintliche „Reformer“ in der PDS ihre politische Karriere fortsetzten.

Tatsächlich jedoch waren und sind sie vor allem virtuose Strippenzieher und Machtapparatschiks. Das mag zwar für Ministerämter im Osten oder gar eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl im Huckepackverfahren reichen. Für eine attraktive Linke reicht das jedoch nicht.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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