Kommentar Syrien und der Westen: Syrien braucht ein Zeichen des Westens

Ist es zu viel verlangt, wenn die westlichen Regierungschefs jetzt endlich Partei ergreifen? Ihr Wort könnte die Wirtschaftselite an die Seite der Opposition bringen und die Wende einleiten.

Bleibt nur die Ohnmacht? Können wir nur zusehen, wie ein Volk massakriert wird? Sind 3.000 Tote in einem arabischen Land nicht Grund genug, sich zu empören? Oder werden wir erst alarmiert, wenn ihre Zahl auf 10.000 steigt? Werden unsere Politiker erst dann andere Töne anschlagen? Und wird das dann Konsequenzen haben?

Baschar al-Assad mordet sein Volk. Er foltert seine Bürger. Er lässt schießen, aus Kalaschnikows, aus Panzern, aus Hubschraubern. Nicht erst seit gestern oder vorgestern, seit Jahrzehnten. Vom Vater auf den Sohn ist die Diktatur vererbt. Tausende Tote. Tausende Inhaftierte, Tausende Malträtierte. Ohne Ende. Die Empörung im Westen war bislang eher wohlfeil. Ebenso recht wie billig. Man müsste, könnte, sollte …, lauteten die Versprechungen. Geschehen ist wenig.

Und jetzt droht der Diktator in Damaskus mit dem Chaos. Nach mir die Sintflut, das Schlachten der religiösen Fanatiker, die unkontrollierte Gewalt, die Barbarei der Anarchie. Die Botschaft Baschar al-Assads ist simpel. Bei mir wisst ihr, woran ihr seid. Berechenbar, blutig ja, aber eben stabil. Entscheidet euch, ihr Damen und Herren - in Washington, in Paris, in Berlin, in Moskau, Peking oder Tel Aviv.

Derzeit sieht im syrischen Machtkampf alles nach einem Patt aus: Die Opposition ist noch nicht stark genug, um das Regime zu kippen. Und die Herrschaft der Baath-Partei, der Armee und der syrischen Geheimdienste ist nicht mehr stark genug, um der Opposition den Garaus zu machen.

Genau darin liegt die Schwäche des Regimes. Nach mehr als sieben Monaten des Protestes, der Demonstrationen und der blutigen Opfer kann es keine Rückkehr mehr zum Status quo ante geben.

Genau deshalb wäre jetzt ein Zeichen aus dem Westen nötig, das der syrischen Opposition den Rücken stärkt. Baschar al-Assad will keine Vermittlung, keine Verhandlung, die Morde vom Wochenende sprechen da eine unmissverständliche Sprache.

Ist es zu viel verlangt, wenn Herr Obama und Frau Merkel, Herr Sarkozy und Herr Cameron jetzt endlich Partei ergreifen? Ihr Wort könnte die zögernde Wirtschaftselite in Syrien an die Seite der Opposition bringen und damit die Wende im innersyrischen Machtgefüge einleiten. Der türkische Ministerpräsident Erdogan ist längst an der Seite der Opposition. Es steht dem europäischen Nachbarn nicht gut an, wie schon in Kairo und Tunis wieder zu spät zu kommen.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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