Kommentar Syrien: Assads Gewalt, Syriens Hoffnung

Syriens Bevölkerung ist besser für die Demokratie vorbereitet als vor einem Jahr. Die Frage ist, ob die zivile Entwicklung mit der Militarisierung des Konflikts Schritt halten kann.

Stadt für Stadt, Viertel für Viertel rückt die syrische Armee gegen die Protesthochburgen vor. Die vernichtende Militäroffensive in der Stadt Homs ist kaum beendet, da stürmen Assads Truppen bereits die Wohnviertel des nördlichen Idlib. Inzwischen sind zwei- bis dreistellige Todeszahlen pro Tag Normalität in Syrien.

Ein Jahr nach Beginn der Proteste sucht die internationale Gemeinschaft mittlerweile ernsthafter nach einer Lösung, wie das Blutvergießen beendet werden kann. Eine militärische Intervention steht trotzdem nicht zur Debatte.

Dafür werden die Rufe lauter, die eine Bewaffnung der Rebellen von außen fordern. Doch die Freie Armee Syriens (FAS) zählt zu den Unbekannten in der syrischen Gleichung. Denn es handelt sich nicht um eine „Armee“ mit zentralen Kommandostrukturen. Vielmehr ist FAS ein Sammelbegriff für lokale Milizen und Bürgerwehren. Gerüchte, dass Al-Qaida-Kämpfer aus den Nachbarländern nach Syrien eingesickert sind, haben die Zweifel an ihr noch verstärkt.

ist Autorin der taz.

Es ist ein Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt: Derzeit kann die FAS die Bevölkerung nicht schützen. Mit ihren leichten Waffen stehen die Rebellen Assads Armee chancenlos gegenüber. Andererseits birgt eine Aufrüstung der FAS durch politisch zweifelhafte Akteure wie die Saudis oder al-Qaida das Risiko einer Ausweitung von Chaos und Gewalt.

Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit aber ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die Hoffnung macht: Nach Jahrzehnten der Unterdrückung entwickelt sich eine erstarkende Zivilgesellschaft. Geschäftsmänner spenden Geld und Hilfsgüter, Ärzte versorgen Verletzte in versteckten Kliniken, Gemeindeführer arbeiten daran, konfessionelle Spannungen zu zerstreuen, Frauen organisieren die Essensversorgung.

Inmitten all der Gewalt haben ganz normale Menschen komplexe Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut. Das ist eine ungeheure Leistung. Den Syrern ist es in den belagerten Städten gelungen, einen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern.

In gewisser Weise ist Syriens Bevölkerung damit besser auf einen politischen Aufbruch in Richtung Demokratie vorbereitet als noch vor einem Jahr. Die Frage ist nur, ob diese zivile Entwicklung mit der Militarisierung des Konflikts Schritt halten kann. Ohne Unterstützung von außen stehen die Chancen dafür nicht gut.

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Ist seit Sommer 2012 Reporterin bei der taz. Hat zuvor als freie Journalistin mit Schwerpunkt Nahost gearbeitet und fünf Jahre in Damaskus und Beirut gelebt. Volontariat beim Weser-Kurier in Bremen. Studierte englische, deutsche und französische Philologie in Münster und Sheffield.

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