Kommentar Syrien: Keine Zukunft für Assad

Die Brutalität des syrischen Regimes gegenüber dem Volk ist erschreckend. Es ist Barbarei, einen Sitzstreik mit scharfer Munition niederzuschießen. Assads Ende ist besiegelt.

Erschreckend und verstörend zugleich ist die Brutalität, mit der das syrische Regime gegen sein eigenes Volk vorgeht. Völlig friedliche Menschen bei einem Sitzstreik mit scharfer Munition niederzuschießen - wie jetzt wieder in Homs - ist blanke Barbarei. Dieses Regime ist ein Hohn auf jede Zivilität. Es hat jede Legitimität verwirkt.

Wie anders seine Gegner. Welch ein Mut gehört dazu, auf die Straße zu gehen und Freiheit und Menschenwürde zu fordern, wenn es das eigene Leben kosten kann. Welch eine moralische Größe zeigt sich darin, den Mordgesellen dieser Diktatorenclique unbewaffnet und friedlich die bloße Stirn zu bieten.

Das Regime verkennt schlicht die Tiefe dieses Volksaufstandes. Der brutale und gnadenlose Einsatz der Shabbiha-Milizen hatte nicht die Konsequenz, dass die Menschen eingeschüchtert und verängstigt die Straßen geräumt hätten. Im Gegenteil. Der Protest hat sich verbreitert.

Nach ägyptischem Vorbild haben die Menschen in Homs den zentralen "Uhrenplatz" besetzt und in "Tahrirplatz" umbenannt. Wir gehen erst, wenn das Regime geht, lautet jetzt ihr Slogan. Präsident Baschar al-Assad hat die Zeit für Reformen verpasst. Die jetzige Aufhebung der Notstandsgesetze und die Zulassung von Demonstrationen ist ein taktischer Schachzug, der zu spät kommt. Eine wirkliche Reform des Systems von Korruption und Klientelismus zeigt sich damit noch nicht.

Unter einem rein machtpolitischen Kalkül scheint der Ruf nach einem Ende der Assad-Herrschaft derzeit ohne jede Aussicht auf Erfolg zu sein. Aber die Dynamik, die dieser friedliche Aufstand in diesen wenigen Wochen gewonnen hat, ist zu einer echten Bedrohung für den Assad-Clan und seine Handlanger geworden. Vieles spricht dafür, dass dieser revolutionäre, dieser emanzipatorische Prozess nicht einfach erstickt oder abgewürgt werden kann. Die Vorbilder der arabischen Revolution haben sich tief ins syrische Gedächtnis gegraben.

Ganz gewiss wird dieses Regime in seiner mörderischen Agonie noch viele Menschenleben fordern. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Diktatur vorübergehend die Oberhand behält. Aber abzuwenden ist ihr Sturz nicht mehr. Vielleicht werden sich viele demnächst die Augen reiben und verwundert feststellen, dass Baschar al-Assad in Damaskus eher vom Sockel gestoßen wurde als der monströse Oberst in Tripolis.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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