Kommentar Taliban-Angriff in Kabul: Ein Zeichen der Stärke

Die Taliban haben lange versucht, das Bild von Hinterwäldlern loszuwerden. Doch der Angriff zeigt: Die puritanistische Strömung der Bewegung ist weiter aktiv.

Zweierlei haben die Taliban mit einem weiteren Überfall auf ein Hotel am Kabuler Stadtrand gezeigt: zum einen dass sie trotz anderslautender Behauptungen aus Nato-Kreisen sehr wohl weiterhin handlungsfähig sind; zum anderen dass ihre alte, puritanische Strömung ebenfalls weiter aktiv ist, der jede Art von Belustigung ein Gräuel ist, vor allem wenn Männlein und Weiblein sich nicht ordentlich voneinander getrennt amüsieren.

Dieser Strömung verdankte das Taliban-Regime der späten 1990er-Jahre seine internationale Isolierung. Die jetzige Taliban-Führung unternahm in den letzten Jahren einiges, um das Bild von Hinterwäldlern loszuwerden: sie ließ – lokal unterschiedlich gehandhabt – Mädchenschulen zu und verpflichtete ihre Kämpfer, Zivilisten zu schonen. Bei Letzterem haben sie jedoch, wie ihre Nato-Widerparts, Umsetzungsprobleme.

Angriffe wie der aktuelle bringen ihnen keinen militärischen Sieg. Das wissen die Taliban selbst. Aber sie verschaffen Medienaufmerksamkeit, korrigieren das schöne Bild des – nach Nato-Lesart – super verlaufenden Abzugsprozesses und verunsichern enorm. Die Zahl afghanischer Asylbewerber ist wieder drastisch gestiegen, ebenso der Kapitalabfluss aus dem Land.

Selbst Regierungsmitglieder verlegen ihre Familien ins Ausland, so steht es in einem neuen Bericht der dänischen Regierung. Bedenklich ist auch, dass die Taliban offensichtlich über eine gute Infrastruktur – und Unterstützung – in und um Kabul verfügen, nicht nur über eine Handvoll an der Nato-Übermacht schon halb verzweifelter Leute.

Und schließlich: Da es bei den Regierungen der truppenstellenden Staaten Konsens ist, eine Verhandlungslösung mit den Taliban herbeizuführen – notfalls gegen Bedenken der Opposition und der Zivilgesellschaft –, stärkt solch militärischer Nadelstich ihre politische Position.

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