Kommentar Tibet: Dalai Lama unter Druck

Die Frustration der Tibeter in ihrer Heimat und im Exil ist gewachsen. Für die junge Generation ist klar, dass nur eine vollständige Unabhängigkeit Tibets in Frage kommt.

Jahrelang hat China versucht, den Dalai Lama als "Unruhestifter" zu brandmarken. Auf seine in Wirklichkeit recht moderate Forderung nach kultureller Autonomie für ein Tibet, das ausdrücklich im chinesischen Staatsverband verbleiben sollte, ging das Regime in Peking nie ein. Das war ein Fehler, der sich schon sehr bald rächen könnte.

Spätestens die gewalttätigen Ausschreitungen in Tibet im März haben gezeigt, wie verlogen Pekings Staatspropaganda immer war. Der Glaube, dass nur eine kleine "klerikale Clique" im Exil für Unruhe sorge, entpuppte sich als Wunschdenken. In Wirklichkeit ist die Frustration der Tibeter in ihrer Heimat und im Exil mittlerweile auf ein unterträgliches Maß angewachsen, viele fordern eine härtere Gangart gegenüber den chinesischen Besatzern. Dabei spricht es Bände, dass vor wenigen Wochen sogar der Dalai Lama das Handtuch geworfen und seine Landleute um Vorschläge gebeten hat, wie er weiter mit Peking verfahren solle.

Der Ausgang dieser Beratungen, die am Montag im nordindischen Dharamsala begonnen haben, ist abzusehen. Bereits seit Jahren gewinnt die neue, welterfahrene, gebildete Schicht junger Tibeter immer mehr an Einfluss. Organisationen wie der "Tibetische Jugendkongress" und die "Studenten für ein freies Tibet" haben mit ihren gewaltlosen, kreativen Protesten im Sommer Chinas Olympia-Fackellauf vor der Weltöffentlichkeit blamiert. Für diese junge Generation ist klar, dass nur eine vollständige Unabhängigkeit Tibets in Frage kommt.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass sich die tibetische Exilregierung in Dharamsala diese Maximalforderung zu eigen macht - der Tonfall zwischen Peking und Dharamsala wird sicher bald bedeutend schärfer werden. Nun rächt es sich, dass Peking nie einen ernsthaften Dialog oder Verhandlungen mit den Exil-Tibetern gesucht hat.

Stattdessen wird sich Chinas ergraute politische Elite möglicherweise schon sehr bald mit einer neuen Protestwelle konfrontiert sehen. Und selbst eine aufstrebende Großmacht wie China wird diesem Problem nicht auf ewig mit Gewalt begegnen können.

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