Kommentar Turkmenistan: Rohstoffpolitik für Diktatoren

Die Präsidentenwahl in Turkmenistan ist die größte Demokratieverhöhnung überhaupt. Die EU-Rohstoffpolitik zeigt, dass aus Fehlern nicht gelernt wurde.

Turkmenistan lässt den Präsidenten wählen. Der Urnengang im erdgasreichen Land am Kaspischen Meer ist die größte Demokratieverhöhnung überhaupt. Und die ehemalige Sowjetunion ist ja nicht eben arm an Despoten. Selbst die OSZE weigerte sich, Beobachter zur Wahl in dem zentralasiatischen Land zu entsenden. Aus gutem Grund. Dann könnte man auch gleich Leute in Nordkorea nach Anzeichen von Demokratie suchen lassen.

Der Unterschied ist aber: Während die Herrscherclique in Pjöngjang weitgehend isoliert ist, umwirbt die EU den turkmenischen Diktator Gurbanguly Berdymuchammedow. Turkmenisches Gas soll über das Kaspische Meer gebracht werden und helfen, die geplante Nabuccopipeline von Baku über die Türkei nach Europa zu füllen.

So will die EU und allen voran Deutschland das russische Gasmonopol unterlaufen. Daher lud Kanzlerin Angela Merkel 2008 den turkmenischen Tyrannen nach Berlin ein und 2010 traf sie ihn zu einem Gespräch während des OSZE-Gipfeltreffens in Kasachstan. Auch Guido Westerwelle eilte 2011 in die turkmenische Hauptstadt, um sich vor Berdymuchammedows goldenen Thron zu setzen.

Natürlich kennt auch die deutsche Industrie keine Hemmungen. Der Energiekonzern RWE sucht im Kaspischen Meer nach Rohstoffen und gehört zum Konsortium der Nabuccopipeline. Auch Siemens und Daimler machen im Wüstenland dicke Geschäfte. Der Autobauer akzeptierte 2010 eine dreistellige Millionenstrafe wegen weltweiter Korruption. In Turkmenistan hatte er nachweislich drei Millionen US-Dollar für Bestechung aufgewandt.

Die EU-Rohstoffpolitik zeigt, dass nichts aus Fehlern im Umgang mit arabischen Diktatoren gelernt wurde. So lange das Geschäft stabil ist, sind Menschenrechte nachrangig.

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„Das liegt doch irgendwo in Russland“ oder „Samarkand?  Seidenstrasse?“ sind zwei häufige Antworten, wenn ich in Deutschland von meiner Arbeit in Zentralasien erzähle. Die Region zwischen dem Kaspischen Meer und chinesischer Grenze tut sich auch 20 Jahre nach der Unabhängigkeit schwer, einen Platz in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit zu erobern.Mich aber faszinieren Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan seit vielen Jahren, obwohl in den Redaktionen das ungeschriebene Gesetz gilt,dass Veröffentlichungschancen sinken, je mehr Stans in einem Satz vorkommen. Ich berichte aus dem Hinterland des Natokrieges in Afghanistan über Aufstände, Revolutionen,Wasserkriege und wie deutsche Politiker mit dem usbekischen DespotenIslam Karimow kungeln, um sich die Bundeswehrbasis in dessen düsteren Reich an der afghanischen Grenze zu sichern.Ich nehme die Ereignisse selbst in Augenschein und berichte in Zentralasien oft als einer der ersten, manchmal sogar als einziger, vom Ort des Geschehens. Sei es bei den zwei Machtumstürzen (2005 und 2010), und dem ethnischen Konflikt in Kirgistan (2010), dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan (2005), den Ölarbeiterstreiks in der westkasachischen Steppenstadt Schanaozen und dessen blutigem Ende (2011), und den Gefechten in der tadschikischen Pamirprovinz Badachschan (2012). Ich, Jahrgang 1969, arbeite seit 1994 aus Zentralasien für Schweizer und deutsche Medien. Seit 2006 bin ich zudem dort als taz-Korrespondent tätig. Ich halte Vorträge zu Zentralasien und beteilige mich an Podiumsdiskussionen. Deutschland:+491795057442 Kirgistan:+996777565575

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