Kommentar Ukrainische Innenpolitik: Verhöhnung der Opfer

Die Ausfälle im ukrainischen Parlament häufen sich. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist ein Signal nach innen und außen.

Präsident Petro Poroschenko

Weiß innenpolitisch auch nicht mehr weiter: Petro Poroschenko. Foto: Reuters

Es ist schon eine veritable Schmierenkomödie, die die politisch Verantwortlichen derzeit in der Ukraine aufführen. Um seiner Rücktrittsforderung Nachdruck zu verleihen, packt ein aufgebrachter Abgeordneter Ministerpräsident Arseni Jazenjuk im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern und versucht ihn aus dem Plenarsaal zu tragen.

Innenminister Arsen Awakow wirft nach dem Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, der der Regierung massive Korruption vorwirft, ein Glas Wasser und fordert ihn auf, „unser Land“ zu verlassen. Angesichts des Umstands, dass der mittlerweile eingebürgerte Saakaschwili georgischer Herkunft ist, ist diese Äußerung nicht anders als rassistisch zu bezeichnen.

Derartige Ausfälle lassen leider tief blicken. In immer noch sowjetisch tickende Hirne korrupter Politiker, die nur vorgeblich für demokratische Werte eintreten und am liebsten so weitermachen wollen wie die Machthaber vor ihnen.

Das ist eine Verhöhnung all derer, die in den Jahren 2013/14 wochenlang in Kiew auf dem Maidan für wirkliche Veränderungen protestierten und während der „Revolution der Würde“, die ebenjene Politiker so gern im Munde führen, ihr Leben riskierten. Und es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer des Krieges im Donbass, die wahrlich mit ganz anderen, nicht selten existenziellen, Problemen zu kämpfen haben. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist jedoch nicht nur nach innen, sondern auch international ein fatales Signal und nicht dazu angetan, für die Regierung in Kiew zu werben.

Dieser Tage verhandelt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Brüssel wieder einmal über den Start des Freihandelsabkommens und Visaerleichterungen mit Europa. Vielleicht sollten die Vertreter der Europäischen Union mit dem Herrn aus Kiew einmal Tacheles reden. Und möglichst auf den Ausschank von Getränken verzichten.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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