Kommentar Ursachen rechter Gewalt: Der bequeme Extremismus

Wir müssen darüber reden, ob rechtsextreme Gewalt wirklich ein reines Phänomen des Randes ist. Die Verortung macht es den Fremdenfeinden in der Mitte der Gesellschaft zu leicht.

Eine neue Studie zu rechtsextremer Gewalt, ein weiterer Vorschlag, den Begriff zu ändern. Diese Debatte mag realitätsfern erscheinen, geführt werden muss sie.

Der Begriff "rechtsextrem" verortet rassistische Einstellungen am Rand der Gesellschaft, nicht in ihrer Mitte. Das ist falsch, wie Untersuchungen in schöner Regelmäßigkeit belegen. Es ist aber auch bequem. Denn wer möchte sich schon regelmäßig selbst befragen, ob nicht auch in ihm etwas von Hitler steckt? Daraus wiederum folgt eine Haltung, die bei konservativen Bürgermeistern ostdeutscher Kleinstädte bis zur urbanen westdeutschen Linken verbreitet ist: Nazis? - haben wir hier nicht.

In dieses Schema passt auch das stille Verständnis, wenn in Hamburg ein Film über Israel nicht laufen kann, wenn in Dresden eine Muslimin erstochen oder in Guben ein 14-Jähriger von Neonazis angegriffen wird. Hinzu kommt, dass de facto als "extrem" gilt, was im Verfassungsschutzbericht auftaucht. Schlimm ist, wer drin ist. Das spricht dafür, den Begriff "rechtsextrem" zu hinterfragen, nicht, ihn zu ersetzen.

Denn auf diese Weise drohen wichtige Unterschiede zu verwischen - woran derzeit schon kräftig gearbeitet wird. Eine Minderheit versucht Islam, Islamismus und Faschismus gleichzusetzen. Ein Comic des Verfassungsschutzes meint, Autonome und Neonazis seien eigentlich das Gleiche.

Und die neue Familienministerin schrieb, Rechts- und Linksextremismus seien wie die Enden eines Hufeisens: weit auseinander und doch so nah. Sie ist für die Programme der Regierung verantwortlich, mit denen diese künftig den Kampf gegen rechts dem gegen Linksextremismus und Islamismus gleichstellen will.

Eine Gleichsetzung wäre fatal. Denn Parallelen gibt es zwar, aber Parallelen berühren sich nicht.

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Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

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