Kommentar Urteil zu Stickoxid-Messungen: Grenzwert ist Grenzwert

Das EU-Gericht rügt die Aufweichung der Abgasgrenzwerte. Politik und Industrie müssen endlich begreifen, dass es saubere Autos braucht.

Abgase kommen im Gegenlicht der aufgehenden Sonne aus dem Auspuff eines Autos

Die Politik ist nicht in der Lage, den dreisten Forderungen der Autolobby zu widerstehen Foto: dpa

Schon wieder muss es die Justiz regeln: Das EU-Gericht hat entschieden, dass die EU-Kommission die Abgasgrenzwerte für Dieselfahrzeuge unzulässig aufgeweicht hat. Das ist eine gute Nachricht. Sofern das Urteil rechtskräftig wird, müssen neue Dieselfahrzeuge dann in Zukunft tatsächlich den vorgeschriebenen Grenzwert von 80 Milligramm NO2 pro Kilometer einhalten.

Bisher gilt dieser Wert nämlich nur auf dem Papier. Denn die EU hat zwar die Abgasmessungen kürzlich vom Labor auf die Straße verlegt, um allzu krasse Manipulationen künftig zu vermeiden. Doch die Autolobby hielt es für eine Zumutung, die seit elf Jahren bekannten Grenzwerte plötzlich im realen Betrieb einhalten zu müssen – und lobbyierte darum erfolgreich für eine neue Ausnahme: Anfangs dürfen ihre Diesel mehr als doppelt so viel Stickoxid ausstoßen, später 50 Prozent mehr als eigentlich vorgeschrieben. Begründet wurde diese dauerhafte, drastische Aufweichung mit angeblichen „Mess­ungenauigkeiten“.

Dass es überhaupt ein Gerichts­urteil braucht, um eine so offensichtliche Absurdität zu stoppen, ist ein bedenkliches Zeichen. Offenbar ist die Politik inzwischen weder in Deutschland noch auf EU-Ebene mehr in der Lage, den dreisten Forderungen der Autolobby von sich aus zu widerstehen. Allein die Richter sind noch in der Lage, das Selbstverständliche festzustellen: Grenzwert ist Grenzwert.

Das sollte auch die deutsche Bundesregierung zur Kenntnis nehmen. Sie hat nicht nur in Brüssel intensiv für die Aufweichung gekämpft, die das Gericht nun für unzulässig erklärt hat. Sie will außerdem Fahrverbote in deutschen Städten gern verhindern, indem sie diese bei Grenzwertüberschreitungen bis 20 Prozent per Gesetz für unverhältnismäßig erklärt.

Auch das dürfte vor Gericht keine Chance haben. Politik und Industrie sollten allmählich begreifen: Lösen lässt sich das Abgasproblem nicht mit immer neuen Tricks, sondern nur mit sauberen Autos.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.