Kommentar Volksbegehren in Bayern: Für die Bienen, gegen die Bauern

Die Rekordbeteiligung beim bayerischen Volksbegehren für Artenschutz ist auch eine klare Ansage an die einst übermächtige Agrarlobby. Gut so!

Teilnehmer einer Demonstration stehen als Bienen verkleidet vor dem bayerischen Landtag

Das Volksbegehren in Bayern hat gezeigt, wie man der Bauern-Lobby beikommt Foto: dpa

Kaum eine Lobby ist in Deutschland so mächtig und erfolgreich wie der Bauernverband. Nur mit der Automobilindustrie ist der Einfluss vergleichbar. Eine Dokumentation der ARD hat das vor einigen Wochen wieder anschaulich gezeigt und die geschichtlichen Wurzeln beleuchtet.

Denn in den jungen Jahren der Bundesrepublik waren die Bauern eine politische Größe. Fast 5 Millionen Menschen arbeiteten in der Landwirtschaft. Das war keine kleine Wählerschaft, viele darunter blickten mit Wehmut zurück in die NS-Zeit.

Dass sich die Landbevölkerung wieder radikalisieren könnte, war über Jahrzehnte eine tiefsitzende Angst in der westdeutschen Politik, und der Bauernverband nutzte sie schamlos aus, um seine Interessen durchzusetzen. In den Hochzeiten der Industrialisierung der Landwirtschaft galten die vor allem dem Profit, „Wachse oder weiche!“, die zynische Todesmelodie für die kleinbürgerlichen Betriebe, wurde quasi zum Naturgesetz erhoben.

Kaum eine Lobby ist heute in der institutionellen Politik, in Berlin wie in Brüssel so gut vernetzt wie die Landwirtschaft. Und sie stellt sich erfolgreich quer, egal ob beim Thema Lebensmittelampel, bei Glyphosat oder bei der Nitratbelastung des Grundwassers, die eine Folge der Überdüngung ist.

Auf den Wiesen stehen keine Kühe mehr

Das Volksbegehren zum Artenschutz in Bayern hat nun gezeigt, wie man dieser Lobby beikommt. Oder sie wenigstens in die Schranken weist. Nicht über die institutionelle Politik, über Ausschüsse und Parlamente. Sondern über die Straße.

18,4 Prozent der Wahlberechtigten unterstützen das Anliegen und machten sich aktiv auf, um auf Gemeindeämtern ihre Unterschrift abzugeben. Ein Rekordbeteiligung. Man kann davon ausgehen, dass die stille Zustimmung zum Bienenschutz und für Forderungen, die in Bayern tatsächlich so etwas wie eine Agrarwende einleiten würde, noch viel höher ausfällt. All ihr Widerstand dagegen, ihre Informationskampagnen, ihr Zugang zur Politik haben den Landwirten nichts genutzt.

Denn so präsent die Landwirtschaft auf Parlamentsfluren ist, draußen auf dem Land, bei die Leit, wie man in Bayern sagt, ist sie es nicht mehr. Auf den Wiesen stehen keine Kühe mehr, auf den Straßen stauen Traktoren kaum noch den Verkehr. Etwas über eine halbe Million Menschen arbeiten noch in der Landwirtschaft – zum Vergleich – in der der Altenpflege sind es inzwischen fast doppelt so viele.

Noch kann der Bauernverband auf die alte, funktionierende Lobby-Klaviatur vertrauen, wenn das Volksbegehren nun in den Betrieb des bayerischen Landtags geht. Aber vielleicht schwant der Politik angesichts der Rekordbeteiligung auch endlich, wo heutzutage wirklich politische Größe anzutreffen ist.

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