Kommentar Votum in Brasilien: Korrupte gegen Korrupte

Die Parlamentarier in Brasília haben abgestimmt: Sie wollen Präsidentin Dilma Rousseff stürzen. Wegen Korruption. Das ist absurd.

Menschen sind in den Farben der brasilianischen Flagge gekleidet und feiern, eine Frau ist in grün-gelb geschminkt

Freuen sie sich zu früh? Die Korruption wäre mit dem Sturz Rousseffs jedenfalls nicht besiegt Foto: dpa

Mehr als zwei Drittel der brasilianischen Abgeordneten haben dafür gestimmt, gegen Präsidentin Dilma Rousseff ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Dieses mehr als klare Votum dürfte das Schicksal der ersten Frau in diesem Amt besiegelt haben. Doch die Entscheidung ist alles andere als ein Meilenstein im Kampf gegen Korruption.

Die Verfassung sieht ein solches Verfahren nur vor, wenn dem Staatsoberhaupt ein Verbrechen nachgewiesen werden kann. In der turbulenten Debatte erinnerte sich nun aber kaum noch einer daran, dass Rousseffs einziges nachweisbares Vergehen Haushaltstrickserei war – und die ist in Brasilien bisher noch nie als Verbrechen eingestuft worden.

Gegen die Präsidentin wird im Rahmen des Petrobras-Korruptionsskandals trotz wilder Medienspekulationen und zweifelhaften Vorgehens der Justiz nicht einmal ermittelt.

Das ganze Verfahren ist deshalb eine Farce. Rousseff wird nicht wegen ihrer Tricks an den Pranger gestellt, sondern weil die Oppositionsparteien und übergelaufene ehemalige Koalitionspartner selbst an die Macht wollen.

Die Oppositionspolitiker vertreten noch nicht einmal Inhalte oder Alternativen. Sie werfen der Regierung nur alle erdenklichen Fehler vor. Dabei nehmen sie fahrlässig in Kauf, dass die Stimmungsmache längst in Hass umgeschlagen ist.

Schmiergeldlisten und Geheimkonten

Noch absurder wird die Debatte um den Kampfbegriff Korruption aber dadurch, dass sich im Gegensatz zur Präsidentin zahllose Politiker aller Couleur auf Schmiergeldlisten von bereits überführten Unternehmen finden lassen. Über 55 Prozent aller Abgeordneten, die gerade über Rousseff richten, stehen selbst vor Gericht oder wurden bereits verurteilt – meist wegen Korruption.

Und Parlamentspräsident Eduardo Cunha, der die peinliche Schiedssitzung gegen Rousseff genüsslich leitete, unterhielt in der Schweiz laut dortiger Staatsanwaltschaft illegale Geheimkonten mit mehreren Millionen Euro. Er muss sich vor dem Ethikrat des Parlaments verantworten und ist der erste ranghohe Amtsträger überhaupt, gegen den der Oberste Gerichtshof wegen des Petrobras-Skandals Anklage erhoben hat.

Rousseff darf und muss kritisiert werden, aber nicht von solchen Leuten.

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