Kommentar Wachstum der Biobranche: Boom mit Schattenseiten

Der Markt für biologisch erzeugte Landwirtschaftsprodukte wächst und wächst. Die Standards dafür wachsen leider nicht.

braune Hühner picken auf einer grünen Wiese

So schön grün sind die Auslaufflächen vor vielen großen Ställen für Bio-Legehennen selten Foto: dpa

Es sind mal wieder prächtige Zahlen: Der Biomarkt ist 2017 erneut kräftig gewachsen, hat die Branche am Mittwoch stolz verkündet. Das ist ein Gewinn für die Umwelt und den Tierschutz. Denn Ökobauern müssen auf chemisch-synthetische Pestizide und besonders umweltschädliche Dünger verzichten. Sie geben ihren Tieren zudem mehr Platz im Stall und lassen sie an die frische Luft. Aber der Bioboom hat auch Schattenseiten.

Vom starken Wachstum des Ökoeiermarkts zum Beispiel haben vor allem große, agrarindustrielle Legehennenfarmen profitiert. Sie sind auf jeden Fall tierfreundlicher als ihre konventio­nelle Konkurrenz, deren Hennen nie oder selten ins Freie kommen. Aber auch die Bios halten Zehntausende Tiere in einem Gebäude. Wie in konventionellen Massenställen hat das Personal dort zu wenig Zeit, um sich um die Tiere zu kümmern. Der Teil der Auslaufflächen um den Stall ist häufig übernutzt. Dort picken die Hühner das Gras weg, so dass Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphat aus dem Kot der Tiere leichter ins Grundwasser sickern können. Auch sind mehrere Großfarmen in den vergangenen Jahren durch Skandale aufgefallen, weil sie Tierschutz- oder andere Biovorschriften verletzt haben. Mancher Agrarindustrielle, der oft aus der konventionellen Landwirtschaft stammt, scheint nicht wirklich den Biospirit zu leben.

Probleme gibt es auch in der Obstproduktion: Die meisten Bioapfelplantagen sind genauso wie ihre konventionellen Pendants Monokulturen. Sie sind anfälliger für Schädlinge und Krankheiten als vielfältigere Anbaumodelle. Deshalb spritzen auch Bioobstbauern beispielsweise kupferhaltige Pestizide, die erlaubt, aber umweltschädlich sind. Immerhin müssen sie auf Chemiekeulen wie das unter Krebsverdacht stehende Glyphosat verzichten. Aber der Biospirit – er verlangt nicht nur nach anderen Pestiziden als die konventionellen, sondern zum Beispiel nach Mischkulturen, die widerstandsfähiger sind.

Leider hat die EU bei der Reform ihrer Ökoverordnung die Chance verpasst, solche Missstände zu unterbinden. Deshalb sollte die Biobranche selbst ihre Standards erhöhen – sonst könnte langfristig das Vertrauen der Verbraucher in Bio Schaden nehmen.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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