Kommentar Wähler wünschen Rot-Grün: Vom Wählen und vom Wünschen

Laut Umfrage ist Rot-Grün die meistgewünschte Koalition in Berlin. Das wird vor allem für die Grünen zum Problem.

In einer Demokratie hat der Wähler das letzte Wort. So wünscht sich das zumindest der Wähler. Tatsächlich aber haben die Politiker das letzte Wort. Sie müssen versuchen, aus der Summe der Wählerwünsche das Beste zu machen. So kann es durchaus sein, dass der Bürger am Ende nicht das bekommt, was er wünscht. Sondern Grün-Schwarz.

Laut einer am Montag veröffentlichten Forsa-Umfrage wird ein Bündnis von Grünen und CDU gerade mal von 13 Prozent der Berliner präferiert. Die Lieblingskoalition hingegen wäre eine rot-grüne. Der Wähler wünscht sich keinen radikalen Wechsel, er will dasselbe in Grün. Alles andere würde auch überraschen in einer Stadt, in der die drei linken Parteien rund drei Viertel aller Parlamentssitze bekommen dürften.

Die Grünen aber wünschen sich vor allem Renate Künast im Roten Rathaus. Doch je weiter sie hinter der SPD liegen, desto offensichtlicher wird, dass sie ihren Traum nur mit der CDU verwirklichen können. Und je offensichtlicher das wird, desto mehr verschrecken sie einen Großteil ihrer Wähler. Zwei Drittel aller Grünen-Sympathisanten bevorzugen eine Koalition mit der SPD, Tendenz steigend.

Zum offiziellen Start des Wahlkampfs in Berlin sind die Chancen der Grünen auf einen Einzug ins Rote Rathaus offenbar gesunken. Die einzige Machtoption, die sie im Moment noch hätten, wäre die eines Juniorpartners der SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Das ergibt die neue Forsa-Umfrage im Auftrag der Berliner Zeitung. Ein Bündnis mit der CDU unter Führung von Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, das rechnerisch lange möglich schien, hätte aktuell keine Mehrheit mehr. Zurzeit liegt Grün-Schwarz in der Erhebung mit 43 Prozent gleichauf mit Rot-Rot. Vor vier Wochen hatte die amtierende Koalition noch 3 Punkte weniger als die Konkurrenz.

Die Grünen verloren in der Umfrage 3 Prozentpunkte. Mit 24 Prozent liegt die Partei zwar weiter deutlich über ihrem Wahlergebnis von 2006 (13,1 Prozent). Das Ziel, stärkste Kraft in der Hauptstadt zu werden, würde sie aber klar verfehlen.

Die SPD käme zurzeit auf 30 Prozent (- 1). Die Linkspartei hat ihre Schwächephase offenbar überwunden, sie legte seit Juni um 2 Punkte zu und erreicht in der aktuellen Umfrage 13 Prozent. Die CDU bleibt mit 19 Prozent (+ 1) schwach, die FDP würde mit unverändert 3 Prozent den Einzug ins Abgeordnetenhaus verpassen.

Die Anhänger der Grünen wünschen sich der Umfrage zufolge nach der Wahl im September ein Regierungsbündnis mit der SPD. 66 Prozent der Befragten in besagter Gruppe bevorzugen Rot-Grün, im Juni waren es noch 59 Prozent. Eine Koalition mit der CDU befürworten danach nur 17 Prozent der grünen Wählerschaft. Bei allen Berlinern läge eine rot-grüne Koalition mit 31 Prozent ebenfalls deutlich vorne, gefolgt von Rot-Schwarz (18) und Rot-Rot (15). Grün-Schwarz ist beim Wahlvolk mit 13 Prozent durchgefallen.

Forsa befragte für die Erhebung vom 18. bis 28. Juli 1.003 Berliner. (taz, dapd)

Wählen statt wünschen

Die Grünen haben noch eine Chance. Sie können ihren Wunsch zurückstellen und stattdessen wählen: zwischen SPD und CDU - per Koalitionsaussage vor dem 18. September. Das würde es Grünen-Wählern erleichtern, Wunsch und Wahl unter einen Hut zu bringen. Andernfalls kann es sein, dass die Grünen am Ende gar nichts von dem bekommen, was sie sich wünschen. Sondern Rot-Rot.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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