Kommentar Waffengewalt in den USA: Den Horror liken

Mit jeder Schießerei stumpft die Gesellschaft weiter ab, Sensationslust wird normal, ein Video ist schnell geteilt. Über Waffengesetze reden? Warum denn.

Eine Frau steht mit ihrem Handy vor Blumen und Luftballons

Und fürs Gewissen wird dann das Trauerbild noch schnell getwittert. Foto: reuters

Es ist einer dieser „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Momente. In den USA gibt es eine weitere Gewalttat, verübt mit Waffen, Menschen sterben und demokratische Politiker fordern eine striktere Waffenkontrolle.

Nachdem ein Mann eine Reporterin und ihren Kameramann live auf Sendung erschossen hatte und sich danach auf der Flucht selbst tötete, twittert Hillary Clinton, es sei an der Zeit, etwas zu tun. Das Weiße Haus gibt eine entsprechende Mitteilung heraus und – welch Überraschung – die Supermarktkette Wal Mart will wenigstens halbautomatische Sturmgewehre aus den Regalen nehmen. Sinkende Nachfrage, heißt es. Bei geschätzten 300 Millionen Waffen im Umlauf wird inzwischen jeder eins besitzen, der es möchte.

Nützen wird das nichts. Nicht ein Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl. Republikaner finden das Ereignis natürlich furchtbar, werden aber nicht gegen die Waffenlobby aufbegehren. Die Demokraten haben genug damit zu tun, Clinton wählbar zu machen.

Bedenklich ist, wie sehr der Täter sein Blutbad in den sozialen Netzwerken inszeniert hat. Er filmte die Tat, stellte das Video auf Facebook und Twitter, kalkulierte damit, dass Tausende es weiterverbreiten. Er wurde nicht enttäuscht. Die Profile des Täters sind zwar mittlerweile offline, sein Video ist online nicht so leicht einzufangen. Die User sehen dem Horror zu, wie einem Filmclip oder Spiel – und ein Like ist schnell gemacht.

Auch das ist ein Resultat des konstanten Versagens der Politik, den Umgang mit Waffen zu regulieren, was ständige Schießereien zur Folge hat: Die Gesellschaft stumpft ab, Sensationslust wird zur Normalität. Was ist schon dabei, zuzuschauen, passiert ja ständig. Unreflektiert folgen User einer perfiden Inszenierung. Aber fürs Gewissen ist das Trauerbild mit Kerzen und Blumen ebenso schnell getwittert und geliket.

Dann ist die Welt wieder in Ordnung und über Waffengesetze muss niemand mehr sprechen.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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