Kommentar Wahl in Kärnten: Kärntner werden erwachsen

Im Haiderland hat endlich Rot-Grün gewonnen. Das bedeutet einen erfreulichen und einschneidenden Kulturwandel. Doch es bleibt eine marode Wirtschaft.

Medientauglichkeit wird ihm nicht nachgesagt. Aber die Siegergeste sitzt: Peter Kaiser. Bild: dpa

Kärnten hat gewählt und ganz Österreich seufzte auf vor Erleichterung. Offenkundig sind die KärnterInnen nicht mehr bereit, sich weiterhin von einer Bande selbstherrlicher Abenteurer für blöd verkaufen zu lassen und haben den bislang regierenden Freiheitlichen (FPK) eine krachende Niederlage beschert.

Die von Jörg Haider eingeführte Politik von Brot und Spielen hat ein politisch korrumpiertes System und vor allem ein Rekorddefizit hinterlassen. Fast zehn Jahre war es Haider gelungen, durch flächendeckende Spaßkultur und seinen schlitzohrigen Charme zu verschleiern, dass Kärnten wirtschaftlich vor die Hunde ging. Nach seinem Tod im Herbst 2008 wurde diese Politik fortgesetzt – allerdings ohne das Haidersche Charisma. Deswegen konnte die Justiz auch beginnen, die Eiterblasen aufzustechen.

Symptomatisch ist, dass jetzt mit Peter Kaiser von der SPÖ ein Mann gewonnen hat, der charakterlich das Gegenteil von Jörg Haider darstellt. Dem Intellektuellen wird jedes demagogische Talent abgesprochen, ja auch jede Medientauglichkeit.

Sein im Wahlkampf gefahrener Paarlauf mit den Grünen, die sich um Aufklärung und Transparenz verdient gemacht haben, lässt Prognosen für den künftigen Regierungskurs zu. Statt Eventkultur sollen Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit im Vordergrund stehen - Probleme, die die FPK verleugnet hat. Ob das neue Team dafür die Rezepte hat, muss sich angesichts des geringen wirtschaftspolitischen Spielraums erst zeigen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Kassen noch leerer sind, als man bisher weiss. Und wenn schnelle Erfolge ausbleiben, zeigt sich das Wahlvolk bekanntlich launisch.

In Kärnten lag die Wahlbeteiligung bei 71,4 Prozent, die nach dem vorläufigem Endergebnis ihre Stimmen wie folgt verteilen: Nach einem Plus von 8,4 Punkten wird die SPÖ mit 37,14 Prozent den künftigen Landeshauptmann stellen. Auf Platz zwei liegt mit 17,1 Prozent die FPK. Die ÖVP fiel um 2,6 Punkte auf 14,2 Prozent zurück. Die Grünen verbesserten sich um 6,7 Punkte auf 11,8 Prozent, Stronach holte 11,3. Die FPK-Abspaltpartei BZÖ kommt mit 6,5 Prozent knapp in den Landtag. (dpa)

Jedenfalls, und das ist der eigentliche Kulturwandel, ist diese SPÖ, die nach 24 Jahren den Landeshauptmann zurückerobert hat, ganz eindeutig nicht mehr die Partei, die jahrelang die rechtslastigen Tendenzen der Kärntner bedient hatte und in der sich einst Landeshauptmann Leopold Wagner rühmen durfte, „ein hochgradiger Hitlerjunge“ gewesen zu sein.

Kärnten ist politisch gereift. Dennoch hat mehr als ein Drittel mit FPK, BZÖ und dem neuen Team Stronach vormoderne Parteien gewählt, die die messianische Karte spielen oder ihre Legitimität noch aus Haiders zweifelhaftem Treiben ableiten. Wenn man noch die Haider-Fans dazuzählt, die diesmal zu Hause blieben, liegt das immer noch weit über dem Schnitt österreichischer Normalität.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.