Kommentar Wahl in Tunesien: Umgehen mit den Islamisten

Die islamistische Ennahda-Partei ist Wahlsiegerin in Tunesien. Die restlichen Parteien haben jetzt zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Beide sind schwierig.

Die islamistische Ennahda-Partei hat die ersten freien Wahlen in Tunesien gewonnen. Sie dürfte mehr als ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen. Damit ist ihr die größte Gruppe in der Verfassunggebenden Versammlung gewiss.

Es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Wahlsieg umzugehen. Eine wäre ein Bündnis aller weltlichen Kräfte, um so eine Regierung gegen Ennahda zu gründen; die andere eine Regierung der nationalen Einheit. Beides ist schwierig. Die Ennahda hat bereits angekündigt, dass sie ihre Anhänger mobilisieren will, sollten die weltlichen Parteien ihr den Einzug in die neue Übergangsregierung streitig machen.

Eine Regierung der nationalen Einheit wird aber auch nicht auf alle wichtigen Parteien setzen können. Die in der politischen Mitte angesiedelte Demokratische Fortschrittspartei (PDP), die den ersten Trends nach zur zweitstärksten Kraft werden dürfte, lehnt ein Bündnis mit der Ennahda ebenso ab wie der linksunabhängige Demokratisch-Modernistische Pol.

Egal wer letztendlich die Regierung stellt, einige Fragen der neuen Verfassung scheinen durch den Sieg der Ennahda geklärt. Das künftige Grundgesetz wird, wie das alte auch, Tunesien als islamisches Land definieren. Große Rückschritte, zum Beispiel was den Status der Frauen angeht, sind aber kaum zu erwarten. Denn sie würden die nichtislamistischen Wähler und Wählerinnen auf die Straße treiben.

Wichtigster Streitpunkt dürfte vielmehr das Staatsmodell als solches werden. Die Islamisten und einige kleine, linksradikale Gruppierungen wollen ein rein parlamentarisches System. Dies ist für sie die Lehre aus dem Präsidentialsystem, das Tunesien seit der Unabhängigkeit in die Unfreiheit geführt hat.

Die restlichen Parteien wollen einen Staatschef, der unter den Augen des Parlaments regiert. Was allerdings passieren könnte, sollte die Ennahda einmal dieses Präsidentialamt in die Hände bekommen, darüber haben diese Parteien noch nicht nachgedacht.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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