Kommentar Wahl in den Niederlanden: Das kleinere Übel

Die gute Nachricht ist: Die Rechtspopulisten haben verloren. Die schlechte: Die Rechtsliberalen sind die Sieger – mit den Inhalten der Wilders-Partei.

Verkehrte Welt am Strand von Scheveningen: auf der Party der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, frisch gebackene Siegerin der niederländischen Parlamentswahlen, bejubelt das Publikum frenetisch die Verluste der Wilders- Partei. Gerade so, als hätte es da nie eine Verbindung gegeben.

Als hätte nicht Mark Rutte, der alte und voraussichtlich neue Premier just dieser Partei, vor zwei Jahren das Wohl seiner Regierung von den Rechtspopulisten abhängig gemacht. Die Sache ging schief, die VVD hat gelernt, und der Jubel scheint den Schlussstrich unter dieses Kapitel zu bekräftigen. Ein katharisches Klatschen, gewissermaßen.

Dann spricht Mark Rutte. Sein Gesicht ist freundlich, er wirkt gerührt. Die Worte kommen bedächtig statt brachial wie die von Wilders. Und doch hängen da diese Slogans hinter ihm, an der Rückwand der Bühne: "Kein Niederländisch, keine Sozialhilfe", „Mehr Polizei auf der Straße, nicht am Schreibtisch“, und „mehr Strafe und weniger Verständnis für Kriminelle“. Seltsam bekannt klingt das.

Knallhart – ohne den hetzerischen Ton

Ein paar Kilometer weiter gesteht derweil Geert Wilders die Niederlage seiner Partei ein. Und schwört denen, die sie jetzt abschreiben, die PVV werde zurückkommen, und zwar „knallhart“. Die Kampagnen-Rhetorik der Wahlsiegerin gibt indes Aufschluss, dass die Wilders´sche Agenda mit diesen Wahlen keineswegs aus Den Haag verschwindet.

ist Autor der taz und berichtet regelmäßig aus den Niederlanden.

Die VVD führt sie fort, ohne den hetzerischen Ton und die groben rhetorischen Ausfälle. Nicht „knallhart“ in der Wortwahl, doch in der Essenz nur graduell verschieden. Das geringere Übel, wenn man so will.

Der Sieg der Partei, im deutschsprachigen Raum mit dem Label „Rechtsliberale“ versehen, ist ähnlich knapp wie vor zwei Jahren. Zugleich hat die VVD jedoch mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte einen elektoralen Quantensprung gemacht. Zehn zusätzliche Sitze sind ein deutliches Zeichen: der Zupruch der Bevölkerung zur VVD ist immens – was in erster Linie ihrem Programm strikter Haushaltsdisziplin geschuldet ist.

Wenn nun die heikle Prozedur der Regierungsbildung beginnt, bleibt zu hoffen, dass die VVD auf einen starken Koalitionspartner trifft. Einen, der ihr möglichst viel Konzessionen abverlangt und sie dazu bringt, Wasser zu ihrem Wein zu fügen. Dieser wiederum besteht, neben den oben genannten Zutaten, vor allem aus einer mehr als 20 Millionen Euro schweren Kürzungsagenda, die zum Großteil in der sozialen Sicherheit und dem Pflegesektor zu Buche schlägt.

Zweifellos werden Kritiker eine solche Koalition „Stillstand¡ nennen. Ein instabiles, weil latent zerstrittenes Kabinett, während die Niederlande in der Krise doch gerade eine starke Regierung benötigten. Sollten die zweitplazierten Sozialdemokraten sich auf ein solches Bündnis einlassen, wäre all dies zutreffend. Und dennoch auch dies nur das geringere Übel.

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