Kommentar Wahlkampfteam Linkspartei: Gregor und die sieben Zwerge

Gregor Gysi ist der richtige Spitzenkandidat für die Linkspartei. Sein Team und der Zeitpunkt der Nominierung sind armselig und wurschtig.

Die Zukunft der Linkspartei? Nein, das ist Gregor Gysi beim eintägigen Praktikum in der Kindertagesstätte Waldspielhaus. Bild: dapd

Für die Linkspartei ist das Ergebnis in Niedersachsen ein Menetekel. Sie ist im Westen, jenseits der Stadtstaaten, zu schwach, um dauerhaft eine parlamentarische Rolle zu spielen. Nach Nordrhein-Westfalen und Schleswig- Holstein war es das dritte Scheitern in Folge in einem Flächenstaat. Im Südwesten der Republik fristet sie ohnehin nur eine Randexistenz. Woran liegt das? Ist es ein Ergebnis falscher Taktik?

In Niedersachsen war es offenbar ein Fehler, die SPD in eine Double-Bind-Situation zu bringen: Einerseits feuerte die Linkspartei unverdrossen auf die SPD, gleichzeitig machte sie ihr Koalitionsangebote. Und: Sahra Wagenknecht funktioniert im Westen nicht annähernd so wie Oskar Lafontaine vor fünf Jahren. Die Partei hat keine Strahlkraft mehr auf enttäuschte SPD-Wähler. Ein Drittel der Linksparteiwähler ist einfach nicht mehr zur Wahl gegangen.

Fehler kann man korrigieren, politische Kurse neu justieren. Die Wahrheit für die Linkspartei im Westen ist indes vielleicht noch bitterer. Denn in Schleswig-Holstein trat die Linkspartei weit weniger aggressiv gegen die SPD auf – doch die Wahlniederlage in Kiel war noch ernüchternder.

Ist die Linkspartei im Westen also jenseits von Hamburg, Bremen und Hessen, wo es etwas besser aussieht, ein flüchtiges Phänomen? Kann es sein, dass die Partei, egal wohin sie steuert, immer im Abgrund oder zumindest jenseits der Parlamente landet

Zu wenig eigenes Gewicht

Dafür spricht einiges. Seit die Protestenergie gegen die Agenda 2010 verdampft ist, geht es bergab. Die Linkspartei scheint im Westen ohne Frust über die Sozialdemokratie die Schubkraft zu fehlen. Sie hat zu wenig eigenes Gewicht. Und die Fixierung auf die Wahlerfolge in der Vergangenheit haben dazu verführt, zu wenig Augenmerk auf den Aufbau der Partei und das graue Alltagsgeschäft im Kommunalen zu legen.

Ganz schwarz ist das Bild gleichwohl, mit Blick auf die Bundestagswahl, nicht, eher grauschattiert. Gut 3 Prozent in Hannover sind zwar eine herbe Niederlage. Allerdings sind dies Stammwähler, die auch ein dramatisch knapper Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb nicht beeindruckt. Die Linkspartei hat im Westen immer noch zwei oder drei Mal so viele Wähler wie einst die PDS. Die braucht die Partei im Herbst auch um sicher über die Fünf-Prozent zu kommen. Die Regression der Linkspartei zur PDS ist möglich – aber derzeit eher unwahrscheinlich.

Allerdings scheint die Parteispitze derzeit energisch daran zu arbeiten, den Abstieg zu beschleunigen. So richtig es ist, Gregor Gysi, der bekannt und beliebt ist, als Spitzenkandidaten zu nominieren, so armselig wirkt das siebenköpfige Team, das ihm zur Seite gestellt ist. Dieses Team, das parteiintern zu Recht als „Gregor und sieben Zwerge“ verspottet wird, ist unbrauchbar. Es mag parteiinternem Proporz genügen – für den Wahlkampf ist es zu groß, zu unbekannt.

Nicole Gohlke und Diana Golze werden den Verfall der West-Linken sicher kaum stoppen. Und das Team ausgerechnet am Tag nach dem Wahldebakel in Hannover zu präsentieren, verrät einen Mangel an Professionalität, der an Wurschtigkeit grenzt.

Die Linkspartei will, so die Ankündigung von Parteichef Bernd Riexinger, sich von einer Protest- zur Veränderungspartei wandeln. Es kann sein, dass diese Erkenntnis zu spät kommt.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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